Enkelfähiges Wirtschaften: Unternehmerische Verantwortung für die Zukunft: Sozialgespräch mit Stephan Grabmeier

Straße mit Sonnenaufgang, Bild von Stephan Grabmeier, Mikrofonsymbol, sozial-pr Logo und Titel der Episode auf dem Bild

Die Konsequenzen des eigenen Handelns für künftige Generationen im Blick zu haben, auch gesellschaftlichen und umweltbezogenen Wert mitzudenken und nicht nur finanziell motiviert zu handeln – all das steckt in dem Begriff des enkelfähigen Wirtschaftens. Wie das konkret aussieht und warum BANI das VUCA Modell ablöst, erklärt Stephan Grabmeier im Sozialgespräch Podcast.

Wer Begriffe wie “enkelfähiges Wirtschaften” oder “Kopföffner für besseres Wirtschaften” spannend findet, ist bei Stephan Grambeier genau richtig. Er hat seinen beruflichen Weg zwar nicht in Sozialunternehmen begonnen, ist in den letzten Jahren jedoch eine sichtbare und wichtige Stimme für nachhaltigeres, gesellschaftlich und zukunftsorientiertes – kurz: enkelfähiges – Wirtschaften geworden.

Sein Buch „Future Business Kompass – der Kopföffner für besseres Wirtschaften“ ist für mich nur inspirierend, sondern war auch der letzte Impuls, um Stephan in den Sozialgespräch Podcast einzuladen.

Warum Kopföffner:innen so wichtig sind

Auch wenn Stephan in seinem Buch zahlreiche anderen Menschen als Kopföffner:innen vorstellt, gehört er für mich unbedingt auch zu dieser Gruppe.

Kopföffner:innen sind Menschen, die durch ihre Handlungen und ihr Wirken zeigen, dass es auch anders geht als bisher, das neue Wege nicht unmöglich oder Träumerei sind reale Möglichkeiten sind, die mit dem entsprechenden Willen und Einsatz gegangen werden können.

Viele der Menschen, die ich im Sozialgespräch Podcast schon interviewen durfte, sind für mich ebenfalls Kopföffner:innen in ihrem jeweiligen Bereich.

Inzwischen arbeitet Stephan – das war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht so – für das Zukunftsinstitut, dessen Zukunftsreport 2021 ich definitiv empfehlen kann (ist sein Geld wert).

Ein Zitat von Stephan bringt seine Haltung für mich auf den Punkt

Die Frage, wie die Zukunft wird, ist grundlegend damit verbunden, wie wir Zukunft denken. Eines ist klar: So wie es war wird es nicht mehr. Es liegt an uns, wie wir Zukunft von Unternehmen gestalten.

Wie das für Stephan konkret aussieht, warum er das das bekannte VUCA Modell durch ein BANI Modell ersetzt und wie jede:r Einzelne enkelfähiges Wirtschaften unterstützen kann, besprechen wir im Sozialgespräch Podcast. Im Kern geht es immer darum, zukunftsorientiert zu handeln und Verantwortung zu übernehmen.

Wenn Du Fragen hast, stell sie gerne in den Kommentaren und ich gebe sie an Stephan weiter.

Transkription des Sozialgespräch Podcasts mit Stephan Grabmeier

[00:00:00.975] – Christian
Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Sozialgespräch Podcast. Dieses Mal durfte ich Stephan Grabmeier interviewen. Er ist unter anderem der Autor des Buches „Future Business Kompass“. Bei ihm geht es sehr viel um die enkelfähige und enkeltaugliche Wirtschaft. Ein, wie ich finde, total spannendes und sehr sehr wichtiges Konzept. Viel Spaß beim Interview mit Stephan.

Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Sozialgespräch Podcast. Schön, dass ihr wieder rein hört. Ihr habt’s im Intro gehört. Es geht um spannende Projekte, um inspirierende Menschen. Ja, und so einen hab ich heute im Interview. Willkommen Stephan.

[00:00:52.785] – Stephan
Hallo schönen guten Tag, guten Morgen, grüß dich, hallo.

[00:00:56.325] – Christian
Genau, guten Morgen, oder wann immer ihr das hört. Stephan Grabmeier, der ganze Name. Einige von euch kennen ihn jetzt schon, wenn ihr den ganzen Namen hört, da bin ich mir sicher. Ich weiß, einige von euch haben auch sein Buch gelesen, „Future Business Kompass“, darüber werden wir heute auch so ein bisschen sprechen. Für die wenigen, Stephan, die dich noch nicht kennen, stell dich doch bitte einmal ganz kurz vor.

[00:01:17.685] – Stephan
Ja, also Name, hast du gesagt, Stephan Grabmeier. Ich bin heute in Bonn, ich lebe in Bonn und ich beschäftige mich viel mit dem Thema Zukunft. Also ich bin Partner am Zukunftsinstitut und sehr sehr eng mit der Social Business Community rund um Professor Yunus und den Hans Reitz verbunden. Das sind so meine zwei Tätigkeitsfelder und darf Unternehmen und Organisationen dabei begleiten, ich sage immer enkelfähig zu wirtschaften, also Wege, Möglichkeiten zu finden, nachhaltig Themen zu gestalten, Projekte zu gestalten, Geschäftsmodelle zu gestalten, sozusagen Fragen für die Zukunft zu klären.

[00:02:01.335] – Christian
Genau. Und der „Future Business Kompass“ ist nur eines deiner Bücher, du hast es als Kopföffner bezeichnet, wenn es um enkelfähiges Wirtschaften geht. Das soll auch ein Schwerpunkt heute sein. Mich interessiert ja aber immer so ein bisschen auch die Geschichte meiner Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen. Jetzt warst du ja nicht immer im Social-Business-Kontext unterwegs. Gib uns doch mal einen ganz kurzen Einblick: Wie bist du dahin gekommen?

[00:02:25.725] – Stephan
Also die, der „Future Business Kompass“ ist ja das aktuelle Buch und ich würde sagen, für mich ist es das Wichtigste. Weil, es macht ja immer etwas mit einem und es gibt ja Gründe, warum man etwas schreibt und sich vor allen Dingen tief beschäftigt mit der Materie. Ein Buch ist ja was am Ende dabei rauskommt. Und ich sehe es ja immer als ein Dialoginstrument. Aber genauso wie wir jetzt sprechen oder wie es andere Podcasts gibt, dient es ja dazu, die Inhalte weiter zu verbreiten und anzureichern um Gesprächspartner.

Ich bin, also ganz konkret zur Frage, wie ich mit dem Social Business in Berührung gekommen bin: Das war so um 2008 herum. Ich war damals bei der Deutschen Telekom, war da verantwortlich für das ganze Thema Change-Management oder Transformation und Change-Management. Ein sehr, sehr großer Konzern. Und irgendwann kam mein damaliger CEO, der René Obermann von Davos, dem Weltwirtschaftsforum zurück und hat berichtet, dass er dort den Professor Yunus und den Hans Reitz getroffen hat und gesagt hat: „Mit diesen Menschen müssen wir uns mal treffen. Und ich würde gerne eine Initiative starten, wie wir Social Business lernen und Geschäftsmodelle anders denken“. Und ich hatte null Ahnung, um was es da geht. Aber es war eine ganz, ganz spannende Initiative und wie das in so großen Konzernen ja oft ist: Es treffen sich dann ja mehr Gleichgesinnte und wir waren bestimmt 35, 40 Leute zu Beginn.

Ja, und dann haben wir dort wirklich eine, aus diesen 35, 40, das war die Anfangseuphorie, das ist dann wesentlich weniger geworden – wir waren glaub zu dritt oder zu viert zum Schluss – und haben uns damit beschäftigt und sind das erste Mal in Berührung gekommen damit. Und es war eine inspirierende, spannende und prägende Zeit, weil seit diesem Zeitpunkt, nicht permanent, aber bin ich immer wieder in Berührung mit dem Thema Social Business und überhaupt, ja, eingetaucht oder durfte eintauchen in die ganze Thematik.

[00:04:29.035] – Christian
Das heißt, man würde es fast klassischerweise sagen: Das war so der Anfang von deinem Weg, weg von der klassischen Wirtschaft hin zum Social Business. So könnte man es sagen. Ich habe jetzt aber dein Buch gelesen und verfolge auch was du sagst und ich glaube, an dem Punkt sind wir uns einig: Es geht eigentlich gar nicht so sehr darum, klassische Wirtschaft oder Social Business als Gegenpole zu sehen irgendwo.

Lass uns auf diesen Begriff Enkelfähigkeit gehen, ich glaube, der bringt das ganz schön raus. Du schreibst in deinem Buch ja nicht, dass es darum geht, Social Business neu zu erfinden. Du schreibst ja explizit, darum: Es geht um eine Veränderung, die es eigentlich ganz grundlegend braucht im wirtschaftlichen System. Nimm uns da doch einmal mit: Was verbirgt sich hinter diesem Begriff Enkelfähigkeit? Was für eine Veränderung ist da gemeint?

[00:05:14.815] – Stephan
Ja, da stecken jetzt, in der Frage steckt sehr viel.

[00:05:18.805] – Christian
Mmmhmm, wir haben Zeit.

[00:05:20.515] – Stephan
Genau. Also ich glaube, es wäre falsch zu sagen, wir müssen das eine durchs das andere ersetzen. Ich glaube du baust somit einfach Gegenpole auf und es, auch jede Zeit und jedes Modell hat ja eine gewisse Berechtigung für etwas. Und ich würde immer sagen, wir sprechen so viel über Diversität. Diversität ist meist verbunden, wenn wir so LGBTI gucken, Geschlechter, Religion, sexuelle Orientierung und sonstige Dinge. Ich würde das gerne noch erweitern, auch auf das Wirtschaftssystem. Ich glaube, wir brauchen eine größere Diversität im Wirtschaftssystem. Und Social Business ist für mich ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Würden wir, könnten wir alles umstellen, glaube ich nicht, dass das der richtige Weg ist.

Und in meinem Buch habe ich mich ja stärker damit beschäftigt, genauso, was weiß ich, wenn wir in die Genossenschaftswelt gucken, wenn wir in die Stiftungswelt gucken, Social Business gucken, wenn wir klassisch Mittelstand uns ja anschauen, also inhabergeführte, dann haben wir kapitalmarktgelistete Unternehmen. Wir sprechen aktuell ja über vielleicht sogar neue Unternehmensformen, wenn wir so die Purpose-Stiftung oder also Verantwortungs-Eigentum uns anschauen und und und. Und wenn ich mir diesen Blumenstrauß an Möglichkeiten anschaue, dann glaube ich ist es das, was wir, was wir brauchen, was unterschiedliche Unternehmer-Typen prägt, was unterschiedliche Sichtweisen prägt und die Art zu wirtschaften. Und wenn ich mir ein Bild vorstellen kann, wo wir sagen, wir haben so eine Balance in diesen unterschiedlichen Modulen – oder die Gemeinwohlökonomie wenn noch mit dabei reinkommen, oder wenn wir die B Corporations noch mit anschauen und und und.

Also es gibt ja unglaublich viele und es sind ja nicht nur einzelne Unternehmer, sondern es sind ja ganze Bewegungen, Movements, die, die sich ja auf den Weg gemacht haben, seit vielen Jahren oder teilweise Jahrzehnten. Und ich glaube, das wäre eine Bereicherung, weil wir unglaublich gut voneinander und miteinander lernen können und nicht sagen müssen: „Der eine machts blöd, der andere macht es besser oder schlechter.“ Sondern es geht eigentlich um diese Diversität im Wirtschaftssystem.

[00:07:25.345] – Christian
Das ist eine ganz gute Einleitung, weil dieses Enkelfähig würde ich nochmal an einem Zitat aus deinem Buch kurz aufhängen wollen. Du hast da geschrieben: „Enkelfähigkeit ist im kapitalistischen System erst einmal nicht vorgesehen.“ So, das finde ich einen ganz guten Einstieg. Was bedeutet denn Enkelfähigkeit und warum ist es aktuell zumindest nicht wirklich vorgesehen?

[00:07:48.205] – Stephan
Auch hier wieder, ich glaub manche – und wir, wir sprechen ja jetzt über Unternehmer, Unternehmen, Organisationen – haben das per se im Blut. Wenn du es, wenn du mit dem Mittelstand und inhabergeführten Unternehmern, Unternehmerinnen sprichst, dann stellt sich die Frage oft gar nicht, weil sie in Generationen und in Mehr-Generationen denken. Schaust du kapitalmarktgelistete Unternehmen an, ist die Welt ganz anders. Weil es dort nicht um Enkelfähigkeit, sondern um Quartalsziele – also es geht immer, ich spreche auch gerne über Endlichkeit und Unendlichkeit. Ich glaube, dass wir Systeme, Organisationen ja unendlich bauen müssen. Es geht nicht darum, Quartals-Sieger zu werden oder die meisten Produkte zu verkaufen oder den besten EBITDA usw. zu haben, sondern es geht ja letztendlich darum, sein Unternehmen, ich sage mal, im Spiel zu halten.

Das kann man mit Enkelfähigkeit übersetzen und es gibt ein paar, also ich habe da ein paar Blickrichtungen drauf. Das eine ist, dass wenn wir über Systeme sprechen, wir eigentlich, ja, über Zyklen sprechen. Wir haben, das was wir so aus der Resilienz-Forschung heraus kennen, sprechen wir über sogenannte adaptive Zyklen. Das heißt jede Organisation befindet sich ja in unterschiedlichen Stadien, Lebensphasen und Erneuerungsphasen, Wachstumsphasen, konstanten Phasen. Aber es ist ein Permanentum, es ist ein Kontinuum. Und da gibt’s kein: „Das ist jetzt fertig und wir sind jetzt gerade Sieger“, sondern es geht eigentlich immer um das Unternehmen im Spiel zu halten. Und die Enkelfähigkeit drückts für mich einfach so schön aus, dass wir – und mir hat es mir ein Förster gesagt, also, oder vielleicht die Geschichte: Ich hatte letztes Jahr im Oktober, also Herbst – es war ungefähr ähnliche Zeit – mit Plant for the Planet eine Baum-Akademie gemacht, bei meinen Kindern an der Schule. Und in der Baum-Akademie können immer so achtzig Kinder teilnehmen und das hat so einen theoretischen Teil am Vormittag und am Nachmittag gehst du raus in den Wald und du pflanzt Bäume, oder die Kinder pflanzen Bäume. Und der Förster hat in seiner Einleitung gesagt und das fand ich so prägend, dass er gesagt hat: „Wisst ihr, einen Wald, einen Baum und einen Wald, pflanzt ihr nie für euch. Den pflanzt ihr auch nicht für eure Kinder, sondern den pflanzt ihr immer für eure Enkelkinder.“

Und das war so das, weißt du, wenn du dir die Kinder vorstellst und du sagst: „Hey“ – also du hast kleine Setzlinge, ja, die sind irgendwie ein Meter, ein Meter 10, Meter 20 groß, und jeder ist natürlich aufgeregt und sagt: „Hey, wann sehe ich denn meinen Baum wachsen?“ Und diese Illusion mal zu nehmen und zu sagen: „Du, manche Dinge dauern, aber manche Dinge, die du heute beginnst, haben eine unglaublich lange Wirkung.“ Und das ist, glaube ich das, was wir, was wir mit Enkelfähigkeit, ja was ich damit meine, langfristig zu denken.

[00:10:33.145] – Christian
Hm, du hast schon gesagt, bei Familienunternehmen und Co. ist es oft sogar im Blut und in der DNA, wie es so schön heißt, verankert, weil die denken einfach in der nächsten und übernächsten Generation ihrer Familie und wollen sich auch ja oft, ich sage jetzt mal, nicht unbedingt auf Kosten ihrer Umgebung bereichern, sondern eher Teil der Stadt, der Umgebung sein, in der sie unterwegs sind. Das ist so die systemisch organisationelle Ebene. Jetzt schreibst du auch im Buch, und das wissen wir alle: Organisationen, Unternehmen bestehen ja eigentlich aus Menschen. Also die Menschen da drin füllen dieses ganze Konstrukt ja. Und was ich ganz spannend fand, ich fand das so schön, zwei Richtungen in dem Buch in deiner Haltung zu den Menschen. Einerseits setzt du extrem darauf, dass Menschen wandlungsfähig sind und auch durch Motivation und Sinn getrieben Dinge verändern können.

Andererseits forderst du – das seht ihr jetzt nicht liebe Hörer, ich zeige jetzt mal ein Bild aus dem Buch – die Menschen zum entlernen und neu lernen auf. Lass uns doch mal kurz auf die Bedeutung davon eingehen, weil du sagst immer wieder auch so Sätze oder schreibst so Sätze, wie: „Wer immer in den gleichen Modellen arbeitet, der kann nicht auf neue Ideen kommen.“ Wer die Wege nicht verlässt, hat keine Chance. Welche Rolle spielt denn diese Bereitschaft denn, sich zu öffnen für neue Wege, auch mal gerade Modelle, vielleicht auch Denkmodelle, aufzugeben, die bisher Sicherheit gegeben haben? Wie wichtig ist das? Welche Rolle spielt das in dieser Veränderung?

[00:11:55.535] – Stephan
Also ich glaube momentan, in der in der Situation der Covid-19-Krise spüren wir das, glaube ich so, wie wir es ja noch nie irgendwo gespürt haben. Und das ist ganz interessant. Ich habe mal für Thomas Sattelberger lange Zeit gearbeitet und der hat damals immer gesagt: „Der größte Momentum der Veränderung ist in Krisen.“ Jetzt muss man sagen, wir spüren jetzt die Krise. Wer Nine/Eleven miterlebt hat, und Thomas Sattelberger war damals im Lufthansa-Kontext, also der war sehr eng verbunden. Der hat immer gesagt: „Und wenn wir keine Krise haben, dann müssen wir dieses Momentum herstellen. Also diese Aufbruchsbereitschaft, diese Awareness, dieses, diese, ja dieses, diese Wachsamkeit, diese Bereitschaft, ja, Bereitschaft, alle Dinge in Frage zu stellen, diese Bereitschaft auf Fokus zu setzen, auch neue Dinge auszuprobieren.“ Und ich glaube, dass das enorm wichtig ist, diese Bereitschaft zu haben. Und es darf sich niemand, also weder du noch ich noch irgendjemanden ausnehmen, dass wir natürlich nicht nur unsere Sozialisierung und das, was wir, wo wir in Komfortzonen reinkommen, was sich gut anfühlt, was erfolgreich macht, was Spaß macht, was uns Wohlstand lief – also es in der all diese Dinge, wo wir auf ein gewisses Niveau oder Plateau ja auch kommen.

Und es gibt einfach Phasen – und jetzt bin ich nochmal so bei diesem adaptiven Zyklus und ich habe jetzt immer – also wir sprechen am Zukunftsinstitut immer von der sogenannten Lazy Eight. Ihr könnt euch das vorstellen wie eine Acht. Also es ist ein Zyklus, der wie eine, der sich wie eine Acht durchläuft und eben verschiedene Phasen hat. Und es gibt einfach Phasen, wo wir in einer Krisensituation oder in einer Erneuerungsphase sind. Und genau für diese Momente brauche ich, brauche ich ein anderes, Mindset, also Mindshift sozusagen. Und dieser Mindshift, der ist sehr stark verbunden eben, der ist sehr tief, tief verankert. Und diesen Ruck und diese Bereitschaft, den Weg zu gehen, und das müssen wir lernen und deswegen – das Bild, das du gezeigt hast, heißt ja „learn to unlearn“ – also manche Dinge, es ist wie bei einer Festplatte, da musst du einfach mal ein paar Sachen Reset, löschen und wieder, wieder Bereitschaft haben zu sagen: „Okay, what’s next? Was ist neu? Womit lerne ich einfach neue Dinge und neue Blickwinkel? Und was bringt mich so wieder in meinen nächsten Zyklus?“

[00:14:26.445] – Christian
Genau das und du beschreibst ja auch im Buch, wo du gerade von den Krisen gesprochen hast, dass die meisten sinnsuchenden Prozesse aus einer Krise, aus einem, zumindest dem Gefühl „Dinge funktionieren nicht mehr so richtig, jetzt suchen wir nach dem Purpose“, entstehen, tatsächlich. Du hast gerade richtig angesprochen, wir nehmen das auf im Oktober 2020, das heißt gerade ist noch voll die Covid-Krise, wir reden über neue Kontakt-Beschränkungen jetzt im November wieder in Deutschland. Das ist so eine Ausnahmesituation, glaube ich, für die meisten zumindest von uns. Die meisten von uns haben das noch nicht so erlebt.

Jetzt erlebe ich es aber zumindest oft, wenn ich auch mit NGO und klassische Wirtschaft und Wohlfahrt arbeite, dass in solchen Krisen die Aussage kommt: „Gerade in so einer Zeit haben wir doch eigentlich gar nicht den Luxus uns über sowas Gedanken zu machen. Wir müssen uns jetzt darum kümmern, dass der Laden läuft.“ Also dass die Krise eigentlich als Verhinderung wahrgenommen wird oder als Vorwand, je nachdem, wie man es jetzt sehen möchte. Wie gehst du mit sowas um? Ich nehme stark an, sowas begegnet dir auch ab und zu.

[00:15:27.285] – Stephan
Ja, also wirklich sehr, sehr sehr stark. Und es ist eigentlich die Polarisierung, die du jetzt schon beschrieben hast, weil du hast – wir sprechen über Gabelungspunkte. Also wir haben die Situationen von Organisationen, die jetzt alles tun, um im alten Spiel zu bleiben – also die noch härter, noch konsequenter, noch kostenkonsequenter und und und. Und man muss auch sagen, es gibt wirklich Krisensituationen. Also jetzt in der Diskussion des zweiten Lockdowns oder Lockdown Light werden wir noch viel, viel mehr spüren, die Ausprägungen auf die Wirtschaft. Und wenn jemand oder wenn Unternehmen wirklich jetzt am Rande der Insolvenz, der Zahlungsunfähigkeiten usw. stehen, dann ist es wirklich der Kampf, der letzte Kampf eigentlich ums Überleben. Aber solange ich noch eine Situation habe Entscheidungen treffen zu können – und das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt in diesen, an diesen Gabelungspunkten geht es ja um Entscheidungen. Welche Entscheidungen treffe ich? Bleibe ich im alten Spiel, gehe ich ins Neue? Und es gibt keinen unsichereren Punkt als vor Entscheidungen. Egal, ob wir heiraten – also quasi die Anzahl der Optionen ist ja vor dem Jawort, wenn wir heiraten, unendlich groß. In dem Moment, wo ich mich entschieden habe, ja, dann habe ich die Entscheidung getroffen, da geht’s mir auch – oder in der Regel – geht’s Menschen auch besser, weil sie die Entscheidung getroffen haben und dann in den, in den quasi in den Flow hineinkommen. Und dieses Momentum, dieser Entscheidungs-Optionen, die dort sind, das hat viel mit Mut zu tun, das hat viel damit zu tun: Trauen wir uns diesen Weg zu gehen?

Und auch, was du vorher gesagt hast mit, mit Mindset. Was kennen wir, was können wir, was trauen wir uns zu? Das sind ja alles so Elemente, die dort mit drin sind. Und ich glaube, und das ist so die Situationen, die die, die wir erleben – und jetzt am Zukunftsinstitut ist wirklich so, dass wir sehr viele Organisationen und Menschen haben, die per se zukunfts-minded sind, also die sagen: „Okay, wir nutzen jetzt die Chance, wie können wir uns helfen, mit welchen Instrumenten usw., wie können wir das gestalten?“ Also das ist eine sehr, ich sage mal, interessante und spannende Situation, trotz der Situation, die wir jetzt haben, dass wir viele Projekte begleiten dürfen, die so etwas wie Aufbruch haben, die so etwas wie Ausbruch aus dieser Situation heraus haben. Und das hätte ich so nicht erwartet. Ich weiß aber, dass es eben genau dieser, diese zwei Seiten gibt und würde aber immer plädieren: Wenn die Chance da ist, diesen Mut zu haben, diesen Mut zum Aufbruch, diesen Mut zum Ausbruch, weil es – man hat oft gar keine andere Chance und man muss einfach abwägen. Und wichtig ist es, Entscheidungen zu treffen und die gesamte Energie in diesen neuen Flow zu setzen.

[00:18:29.305] – Christian
Ja, und so eine Krise kann ja auch mal eine Chance sein, wenn man dann doch merkt, dass Bestehende funktioniert so gar nicht mehr, sich bewegen zu müssen, schlicht und ergreifend, weil man halt nach Alternativen suchen muss. Ich nutze die Gelegenheit mal, ich wollte es eigentlich erst später bringen die Frage, aber ich finde, sie passt jetzt: Wir versuchen ja solche Situationen wie jetzt und so eine, ich sage mal, komplexer werdende Welt immer in verschiedenen Modellen zu fassen für uns, in irgendeiner Form. Ich glaube, jeder kennt das VUCA-Modell, dieses volatil, unsicher, komplex, mehrdeutig – das haben alle, glaube ich, auf genug Slides auch schon gesehen in den letzten Jahren. Du hattest vor einiger Zeit in deinem Blog einen sehr spannenden, sehr umfangreichen Artikel, fand ich, der eine Alternative aufgemacht hat, und zwar BANI.

Das steht für porös, ängstlich, nichtlinear, unbegreiflich. Finde ich an der Stelle ganz passend, weil das ist ein Framework, für mich zumindest, mit dem man auch in so einer Krisensituation vielleicht ein bisschen besser einordnen und verstehen kann und bewerten kann, was da gerade passiert und welche Chancen das möglicherweise auch bietet. Da will ich dich jetzt bitten: Gib uns doch mal so einen Blick, was ist BANI? Wie unterscheidet sich denn BANI von VUCA?

[00:19:38.485] – Stephan
Vielleicht kurz, wo kommt, also VUCA…Also was, also wir sprechen hier über ein Akronym. Wir sprechen ja jetzt über Kommunikation und wo uns Kommunikation hilft, etwas besser zu verstehen und einzuordnen. Wenn du heute VUCA sagst, dann weiß jeder, wahrscheinlich jeder, was ist so ungefähr damit gemeint. Auch wenn ich jetzt das Akronym gar nicht, gar nicht genau beschreiben kann. Aber jeder, so dieses Thema Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit und alles, was da drinsteckt. Und man, man hat Orientierung, man hat einen Rahmen. Und das ist etwas sehr Gutes. Jetzt muss man sagen, VUCA kommt ja so aus dem Ende der 1980er. Also das ist ein lang anhaltendes Modell, das kommt aus Ende des Kalten Krieges. Das wurde an den, an den, an den Militär-Universitäten quasi als Akronym gelehrt – also das ist der Ursprung dessen. Und hat dann so in den 2000er Jahren so den ganzen Management-Berater-Welt irgendwie erreicht. Und es gibt wahrscheinlich keine Konferenz, wo VUCA nicht irgendwie laut ausgerufen wird. Und es hat seine Berechtigung.

Ich glaube und einige – und das ist sehr sehr spannend, weil das wird wirklich intensiv diskutiert -, dass VUCA aber die aktuelle Situation nicht mehr in der, in der gleichen Schärfe beschreibt. Weil dieses BANI, dieses B für brittle, also brüchig, porös. Das ist ja etwas, was wir erlebt haben in der, in der aktuellen Zeit. Was wir auch vorher schon erlebt haben, aber jetzt ist es nochmal deutlicher geworden. Also die Brüchigkeit, z. B. in auf Wertschöpfungsketten, auf Wertschöpfung-Prozess. Also was wir im ersten Lockdown gemerkt haben ist, dass du auf einmal in der ganzen Globalisierung merkst: „Hey, wie hängt das eigentlich zusammen?“ Nicht, dass wir das nicht schon wussten. Da geht’s jetzt nicht um neue Dinge. Aber das: Wie hat sich das angefühlt? Wie merkst du auf einmal, wenn du dir die Monokulturen der Industrien anschaust? Energieindustrie, Agrarindustrie, wenn du dir Just-in-time-Lieferungen usw. anschaust und du siehst auf einmal: „Hey, hoppla, da ist ein, keine Ahnung, ein kleiner Automobilzulieferer in Norditalien, die ihren Lockdown haben, und der macht kleine Elektro-Steckverbindungen. Und auf einmal steht in ganz Europa die Produktionsanlagen still, weil der nicht mehr liefern kann.“ Und so merkt man irgendwann, wie hängen diese ganzen Systeme denn eigentlich zusammen? Und brüchig heißt, wenn ein Teil dieser Kette rausbricht, dann zerfällt so ein ganzes System. Und das ist etwas, was wir, was wir spüren. Und wir sagen ja auch, dass wir, wir haben ja keine resilienten, wir bauen ja keine resilienten Systeme, sondern wir bauen Effizienz-Maschinerien. Just in time, Globalisierung und und und.

Es ist alles Effizienz, Effizienz. Kosten, Kosten, Kosten. Runter, runter, runter, quasi. Das ist das, wie wir Systeme bauen. Resiliente Systeme haben ja eine stärkere Widerstandsfähigkeit. Das heißt, die haben vielleicht Puffer eingebaut, die haben vielleicht Kapazitäten, die in Notfällen abgerufen werden können. Und und und. So und diese, diese, diese Pole, ich glaube sich damit zu beschäftigen, also das ist eins. Also das B für das Brüchige. Dann haben wir, das A steht für anxious, für die Ängstlichkeit. Und das ist etwas – ich war jetzt auf einigen Veranstaltungen, also digital. Ich hatte einige Male die Gelegenheit auch wieder Menschen zu treffen. Und ich glaube, ich habe noch nie so oft das Wort Angst gehört. Und Angst jetzt nicht – manche schämen sich ja auch, wenn sie über Angst sprechen oder fühlen sich unwohl oder sind einzelne Personen, die mal über Angst sprechen. Aber dass wirklich komplett 70, 80 Prozent der Menschen, die dort sind, über Angst sprechen. Angst über: Kriege ich am Monatsende mein Gehalt noch? Gibt’s mein Unternehmen eigentlich noch? Gibt es die Demokratie eigentlich so weiterhin in dieser ganzen Polarisierung? Es ist egal, wo wir hingucken, auf welche – es ist mit Angst verbunden.

Und es ist kein Stigma darüber zu sprechen, auch das merke ich. Und die Frage ist aber: Wie gehen wir damit um? Also es ist die Situation und, ich weiß nicht wie es dir geht, ich habe auch Angst vor bestimmten Situationen. Aber die Frage: Was macht es mit uns? Also lähmt es uns eher? Weil durch Angst, Besessenheit oder, ist die Gefahr falsche Entscheidungen zu treffen, weil ich sie immer, quasi immer enger einschränke. Also ich habe nicht mehr die Optionen, ich schränke immer, immer, immer enger ein. Und ich brauche diesen Mut, um aus dieser Ängstlichkeit rauszukommen. Also es heißt, wir müssen damit umgehen zu lernen. Die Nonlinearität, also jetzt BANI, B brittle, A anxious, N für Nonlinearität. Auch das ist etwas, was wir jetzt spüren. Komplexität, du hast es gesagt. Und Komplexität drückt sich eben nicht durch Ursache-Wirkungs-Prinzipien aus, durch einfache Zusammenhänge sozusagen. Ah, wenn A so ist, muss B so sein. Sondern diese Dynamik in Systemen, diese Dynamik von Wechselbeziehungen, von Koppelungs-Systemen, das lässt sich nicht in Ursache Wirkung – dieses Nonlineare ist nicht mehr da. Und das I steht für incomprehensible, also die Unbegreiflichkeit.

Und es ist so. Wir können manche Dinge in komplexen oder teilweise chaotischen Systemen einfach nicht mehr begreifen. Das, das haben wir noch nicht erlebt. Wir haben Covid, als Beispiel, noch nie erlebt. Das ist erst mal nicht verständlich und all das, was da rauskommt. Und auch hier, das ist eh so wie mit dem Ängstlichen, wir müssen lernen damit umzugehen. Und wir müssen lernen, die richtige, richtig gibt’s in dem Fall ja nicht, sondern gute oder bessere Entscheidungen zu treffen in der Situation, in der wir sind. So und somit ist BANI auch hier ein Akronym und ich hoffe, ich habe jetzt so ein bisschen Einblick gegeben, wie es die Situation beschreibt und wie wir unsere, ja, wie wir uns darauf einstellen können oder wie wir in der Situation damit umgehen.

[00:25:40.575] – Christian
Ja, definitiv. Ich finde die Akronyme immer ganz praktisch, spannend, wenn man sie als Reflexionspunkte nimmt und sich jeden einzeln mal anguckt und sagt: „Okay, was bedeutet das jetzt für uns? Wo sehen wir diese Auswirkungen tatsächlich und wie können wir darauf reagieren, potentiell?“ Weil am Ende des Tages, das wirst du auch erleben, ist ein Faktor, der gerade ja vielen Angst macht, das Gefühl der Hilflosigkeit. Das Gefühl, gar nichts tun zu können, eigentlich, also da machtlos zu sein gegenüber der Veränderung. Was du, ich greife zurück ins Buch, ja aber durchaus immer wieder deutlich machst, das ist gar nicht so richtig der Fall. Der Einzelne, die Einzelne kann doch einiges tun. Sie kann sicherlich nicht Corona verschwinden lassen, wenn das jemand kann, meldet euch, wir müssen reden. Aber ansonsten könnt ihr sicherlich viel gestalten.

Und da würde ich tatsächlich auch gerne so, so hingehen im letzten Drittel unseres Gesprächs. Wenn ich jetzt als Unternehmer, Unternehmerin zugehört habe, das gehört habe, die Enkelfähigkeiten mir sofort zusagt, das als Kopföffner funktioniert, wie du es ja so schön nennst als Bild. Was kann ich potentiell tun? Angenommen, ich führe ein Unternehmen oder habe ein Unternehmen, kleines Team vielleicht, klassisches Geschäftsmodell. Also alles okay, jetzt nicht super umweltschädlich, aber es war halt auch nicht Thema bisher, soziale Wirkung des Ganzen. Wo fange ich denn an? Was kann ich denn tun, ohne jetzt gleich meine Existenzgrundlage zu gefährden und zu sagen: „Wir stellen alles von heute auf morgen um und wechseln den Markt.“ Was ja eher nicht funktionieren wird.

[00:27:06.645] – Stephan
Also ich, es steht und fällt alles mit der eigenen Bereitschaft. Also du hast vorher gesagt, wenn wir über Unternehmen sprechen – man, man spricht ja oft über diese Wahrheit, über puh – es sind soziale Systeme. Das ist nichts, was uns die Betriebswirtschaft lehrt. Aber Organisationen spätestens ab zwei Personen – also wir sind jetzt in unserem Podcast eine kleine Organisation für eine temporäre, für eine kurze Zeit. Das heißt, wir zwei gestalten gerade etwas. Und so sind Unternehmen, Unternehmen sind soziale Systeme. Das heißt, sie werden durch Menschen geprägt, durch ihre Werte, durch ihre Einstellungen und und und. Und es steht und fällt mit dem – also wenn wir jetzt auf Unternehmer oder Unternehmerin sind, also die Menschen, die etwas entscheiden, die etwas bewegen können, die investiert haben und und und so weiter. „Was ist mein Beitrag? Was möchte ich?“ Also, und jetzt bleiben wir vielleicht mal beim Enkelfähigen, also wenn jemand von uns Kinder hat – ich selbst habe zwei, ich habe drei in Patchwork, also es ist eine sehr kinderreiche Umgebung, wenn alle zusammen sind. Was im Patchwork ja nicht immer ist, aber es ist sehr viel los dann – aber die Frage: „Was möchte ich meinen Kindern hinterlassen?“

Und das ist z. B. für mich ein Grund gewesen, ich habe mich schon immer mit den Themen beschäftigt. Aber ist, wenn du auf die Welt guckst und wenn du einfach siehst, wenn wir, sagen wir mal, wenn wir nur in Anführungsstrichen auf Klimawandel gucken und du weißt und du siehst einfach, dass wir in eine Endlichkeit, das wir in einer Endlichkeit sind. Weil wir, wenn wir einfach sehen, wie viel Kapazität an CO2 kann die Erde eigentlich noch aufnehmen, bevor sie komplett kollabiert. Dann haben wir vielleicht noch acht bis zehn, die positiven fünf bis sieben, ja so, also es gibt da unterschiedliche – aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Und die Frage ist wirklich, wir werden es wahrscheinlich, wir werden es, die Ausprägungen spüren wir natürlich und wir werden sie auch noch weiter erleben. Aber wenn ich an meine Kinder denke, was passiert mit denen eigentlich? Was haben die für eine Zukunft? Und von dem her gestalte ich sehr stark mein, mein Handeln, mein Tun, meine bei…(…) Und ich glaube, wenn jeder von dem Standpunkt mal ausgeht: „Was ist mein Beitrag? Was ist mein Wirken, was tue ich Gutes und was ist vielleicht auch nicht wirklich so gut?“ Und ich glaube, das ist die allerbeste Bereitschaft. Und dann gibt’s natürlich viele Möglichkeiten, daran zu arbeiten und sich und sein Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen. Wo ich absoluter Fan (…) es gibt ja viele, sagen wir mal Modelle, Vorgehensmodelle, Frameworks. Und ich habe mich ja intensiver mit den B Corporations beschäftigt und das ist ein Movement, was jetzt in Deutschland auch stärker Fuß fasst, und ich darf da auch mit unterstützen. Und das, die B Corporations, vielleicht ganz kurz als Erklärung, das sind ja Unternehmer, Unternehmerinnen, die für sich ja bestimmte Standards aufstellen.

Sie wollen nach dem besten sozialen, ökologischen und ökonomischen Standards ihre Unternehmen gestalten. Egal welche Industrie, egal welcher Größenordnung, spielt überhaupt keine Rolle. Und sie haben eine Mission, und die finde ich so genial, sie sagen: „Wir wollen die besten Unternehmen für die Welt sein und nicht bloß die besten Unternehmen der Welt.“ Und das ist ein ganz kleiner, aber enorm hebelwirksamer Unterschied, nämlich für die Welt zu sein. Also was kann ich mit meinen Produkten, mit meinen Services denn, denn auch Gutes tun? Und es ist ganz egal, ob ich Schlosser, ob ich Elektriker, ob ich Friseur, ob ich Bäcker oder ob ich ein großer Konzern bin. Weil oft heißt es so: „Na ja, kann denn das der eine oder, also auch der Kleine?“ Ja, er kann. Weil in seiner Umgebung, in seinem Kreis, in seinem Kiez, in seiner Gemeinde, in seiner Stadt kann jeder mit den Möglichkeiten, die er hat, genau die Dinge bewirken. Und die B Corporations haben ein Framework, und das ist sehr, sehr spannend. Und das kann sich jeder einfach mal anschauen. Das nennt sich das B Impact Assessment und das ist eine, ich sag das ist eine Hilfestellung. Weil da haben Menschen einfach schon was vorgedacht, was man nicht selber denken muss. Und es geht durch alle Prozesse, durch alle Ebenen im Unternehmen. Und ich kann mir einfach, es ist, das ist, sind letztendlich sind es Fragen, die durchgehen, die du durchgehen kannst und du kannst dich auf den Prüfstand stellen. Und dann kannst du immer sagen: „Haben wir schon gut erledigt, da haben wir eine Lücke, trifft bei uns nicht zu.“

Und so kannst du einfach mal durchgehen und dich sukzessive dort rein, reinfräsen, sage ich mal. Am Ende, wenn man möchte, kann man eine Zertifizierung machen und das B Impact, das heißt, um vielleicht, um ein paar Zahlen zu nennen, haben ungefähr 100 000 Unternehmen schon gemacht. Nicht alle machen die Zertifizierung – das sind ein bisschen unter 4 000 jetzt weltweit. Aber ich kann es jedem ans Herz legen. Das gleiche mit der Gemeinwohl-Matrix, als Beispiel. Das ist ganz ganz ähnlich. Die Gemeinwohl-Matrix ist ebenso ein Framework sich damit zu beschäftigen. Man kann daraus folgende sogenannte Gemeinwohl-Bilanz machen, wenn man einen Schritt weitergehen will. Und was ich damit sagen will, es geht nicht darum zu sagen, du musst das jetzt genauso machen und du musst sofort 100 Prozent erreichen. Sondern von der eigenen Bereitschaft „Was ist mein Beitrag?“ mit Tools und Instrumenten zu arbeiten, dort einzutauchen. Und ich habe mit so vielen Unternehmern gesprochen, die diesen Weg, der dort passiert, was mit Teams passiert, was mit dem Unternehmen passiert, was mit dem Blick auf die Welt passiert, durch dieses Eintauchen in diese Frameworks, das ist wirklich begeisternd. Also kopföffnend, sage ich jetzt wieder.

Weil es ist, es ist so, es ist auch beispielhaft wie Unternehmer dort, dort auch eintauchen. Und die einen machen es schneller – also jetzt, und dann ist Schluss mit dem Satz – aber z. B., ich weiß nicht, ob du Chiesi kennst. Ist ein, ein italienisches Pharmaunternehmen, nennt sich ein ethisches Pharmaunternehmen. Ich glaub so um die 8000, 9000 Mitarbeiter weltweit. Und die, wo ich die Geschichte gehört habe, eine ehemalige Kollegin von mir war dort, die hat diesen B-Corporation-Prozess mit begleitet. Und Chiesi ist per se schon im tiefsten Herzen unglaublich sozial, machen unglaublich viel für die ganze Infrastruktur, in der sie leben, mit Menschen in der sie arbeiten. Also wenn man da hinkommt, sagst du: „Wow, das ist ganz tolles sozial-ökologisches Unternehmertum.“ Das war aber nicht genug. Und das ist eine größere italienische Familie und die Kinder haben den beiden Gründern, die sind so um die 80, immer wieder gesagt so: „Hey, das habt ihr schon cool gemacht, aber das reicht uns nicht.“

Und es gibt eine Tochter in der Familie, die für Marketing verantwortlich ist und die gesagt hat, wir wollen noch weitergehen und die sind in diesen B-Corporation-Prozess gegangen. Und dann binnen einem Jahr – und das muss man sich vorstellen 8, 9 000 Mitarbeiter, 25 Länder – haben diesen Prozess gestartet. Wo ich sage, das ist Wahnsinn, also das schaffen oft ja Kleine gar nicht. Aber das ist, und diese Beispiele gibt’s auch, vom Kleinen bis zum Großen. Und wahrscheinlich das imposanteste Beispiel ist für mich Danone. Emmanuel Faber, ein fantastischer CEO aus meiner Sicht, der viel im Social Business tut. Wahrscheinlich der Konzern, der die meisten Social-Business-Bewegung, nicht nur Bewegung, sondern sogar Unternehmen aus gegründet hat, der die meisten B Corporations hat, zwölf Marken, die dort sind.

Der will seinen Konzern bis 2025 – und jetzt sprechen wir über 100 000 Mitarbeiter, klassische Konzernstrukturen – durch das B Impact Assessment quasi ein neues Mess- und Steuerungsinstrument für den Konzern machen. Und das lässt, also da spreche ich weder von Kopföffnern, das ist echt etwas, wo man sagt: „Wow, wenn wir davon mehr bekommen, dann glaube ich, sind wir auf dem richtigen Wege.“

[00:35:02.145] – Christian
Ja, das sind, glaube ich, Beispiele, die zeigen, dass es unabhängig von den Branchen, von der Größe tatsächlich halt machbar ist, wenn die Bereitschaft da ist, die Offenheit dafür da ist. Dein letzter Satz, war jetzt fast schon ein schönes Schlusswort. Ich trau mich schon gar nicht eine Abschlussfrage zu stellen, ich tue es jetzt trotzdem.

[00:35:17.505] – Stephan
Weil ich so lange verweile in den Antworten. Es tut mir Leid.

[00:35:19.395] – Christian
Nein, gar nicht. Ich finde es immer gut, wenn meine, wenn meine Gesprächspartner reden. Deswegen machen wir auch Podcast, damit wir die Zeit haben, uns das anzuhören. Nee, sondern weil ich einfach die Sorge habe, dass wir schon ein schönes Schlusswort hatten und kein schöneres mehr finden. Aber wir probieren es jetzt trotzdem. Wenn ich jetzt hier zugehört habe und nicht Unternehmer bin, zum Abschluss. Also ich habe mir das angehört, ich arbeite in einem Job, der mir Spaß macht vielleicht, aber der jetzt nicht übertrieben zur Umwelt oder zur Umgebung beiträgt. So. So die abschließende Frage: Wie könnte mein Einstieg mit der Beschäftigung mit diesen Themen denn aussehen? Was kann ich denn tun? Weil dieses Gefühl ist ja oft da: Ich alleine, der kein Unternehmen führt, kann ja eh nicht genug ändern, das ist ja eh egal. Was möchtest du da zum Abschluss mitgeben?

[00:36:07.905] – Stephan
Also ich habe immer so ein Bild im Kopf, dass, dass ja zwei Systeme zueinander passen müssen. Jetzt haben wir das Unternehmen als ein soziales System und wir als Individuum. Und wenn wir die übereinanderlegen, muss es ja eine gewisse Schnittmenge geben, so ein Sweet Spot. Also die Schnittmenge, da wo Brainpower entsteht, wo Kreativität entsteht, wo Werte zusammenkommen, wo Spaß entsteht, wo Freude am gemeinsamen Arbeiten entsteht usw.. Und die Schnittmenge kann ich natürlich vom Individuum her gestalten. Also ich bringe meine Wertewelt, meine Vorstellungen mit. Das ist ja irgendwann der Grund, warum ich irgend zu einem Unternehmen gehe, mich entscheide, einen Arbeitsvertrag unterschreibe. Oder, wenn wir selbstständig sind, ich wähle meine Kunden so aus.

Also ich werde sicherlich nicht mit jedem Unternehmen arbeiten, sondern nach meinem Purpose, nach meinen Vorstellungen setze ich ja Kriterien an welche, mit welchem Unternehmen, mit welchen Menschen – also ich, es ist etwas umgangssprachlich und salopp, aber ich sage: Ich will in einer arschlochfreien Zone arbeiten. Ich möchte mit Menschen arbeiten, wo es Spaß macht zu arbeiten und die ein Wertesystem haben, wo ich glaube, glauben kann, dass sie etwas beitragen, dass sie etwas zurückgeben, dass sie auch den gesellschaftlich relevanten Anteil haben. Also das ist meine, meine Vorstellung. Und das heißt auch irgendwann Nein zu sagen. Und deshalb, das ist jetzt natürlich nicht immer ganz so einfach. Weil es hängen natürlich in einem Arbeitsverhältnis einfach Themen dran wie: Ich muss was, ich muss verdienen, ich muss vielleicht eine Familie ernähren, ich muss Kredite zurückzahlen und all diese Dinge. Also die Entscheidung, wir sind wieder bei Entscheidungsoptionen, die schränken sich möglicherweise dort ein.

Dennoch, und ich möchte das wirklich immer, immer wieder tun, und ich sage das auch, wenn ich selbst in meinen Teams, oder bei meinen Mitarbeitern, dass das, es muss immer die freie Entscheidung sein, die freie Entscheidung: Was ist mein Beitrag? Und wenn ich mit, mit meinem Team und in meiner Organisation das leisten kann – und es ist vollkommen in Ordnung, wenn jemand nicht mit mir arbeiten will oder in meinem Team arbeiten will. Vollkommen klar. Aber wenn, wenn sich jemand dafür entscheidet, dann muss es aus tiefster Überzeugung heraus sein, und es muss einfach, dieser Sweet Spot, der muss groß genug sein. Also was will ich damit sagen? Von, dass jeder für sich die Entscheidung wirklich aus seinem tiefen Inneren heraus trifft. Kann ich in der Organisation meinen Purpose, meine Werte, meine Vorstellungen, meinen Beitrag einbringen?

Und ist das Unternehmen eigentlich ein Verstärker dessen, vielleicht sogar? Kann ich mitgestalten? Kann ich anderen Menschen helfen auf, ja, dahingehend? Wenn das nicht so ist, dann würde ich immer die Entscheidung zu treffen, das System oder das Unternehmen zu verlassen. So, das ist jetzt von außen, ohne dass ich eine Situation kenne, natürlich…

[00:38:56.005] – Christian
Genau, also im Zweifel auch den Schritt machen dann, ja.

[00:38:59.095] – Stephan
Aber das ist, und das hat viel mit Identität zu tun, weil, wenn wir über Identität sprechen – Identität heißt ja: Wer bin ich? Und mit „Wer bin ich“ hängt ja viel dran und: Wer bin ich nicht? So, und diese beiden Dinge, und sich damit vom Individuum her zu beschäftigen ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und dann werden Entscheidungen auch viel klarer.

[00:39:23.005] – Christian
Ja, und auch viel einfacher, weil das Nein sagen zu den anderen Optionen, die ich liegen lasse, ist dann auch leichter, wenn sie halt nicht zu mir passen. Das war tatsächlich noch ein schöneres Schlusswort, Dankeschön. Lieber Stephan, es hat mir viel, viel Spaß gemacht. Ich danke dir für deine Zeit. Ich habe gesagt, knappe 40 Minuten, die Zeit haben wir jetzt gerade erreicht, von daher passt das. Ich danke dir. Die Abschlussfrage immer: Wo finden dich unsere Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn sie mehr von dir lesen und sehen wollen?

[00:39:49.345] – Stephan
Ja, also auf meiner Website. Das ist so mein, meine persönliche Leidenschaft. Ich blogge gerade aktuell gar nicht so viel, aber ich schreibe viel. Meldet euch zum Newsletter an, der kommt alle 3, 4 Wochen. Gibt immer so, ich nenne ihn Inspiration Letter, ich versuche immer ein paar Inspirationen einfach mitzugeben. Ich würde mich riesig freuen, wenn ihr, so wie du es gemacht hast, mein Buch lest, also damit – ich hab’s vorher ja erwähnt, mir geht es darum in den Dialog, den Dialog anzustoßen. Und ansonsten natürlich auf den sozialen Netzwerken, wobei ich würde sagen LinkeIn, LinkedIn und Twitter sind so meine zwei Favourites. Ja, also wenn ihr da Lust habt, gerne in Kontakt treten.

[00:40:37.645] – Christian
Sehr schön. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wie immer, ihr findet alle Links auch als die erwähnten verschiedenen Werkzeuge und Frameworks, die Stephan vorher erwähnt hat, im Blog-Artikel, in den Shownotes verlinkt zu der ganzen Folge. Wenn ihr Kommentare, Feedback habt, gerne entweder bei mir im Blog oder bei Stephan melden. Ihr habt gehört LinkenIn ist, glaube ich, die beste Möglichkeit vom Netzwerk her. Wie immer danke ich euch für eure Zeit und Aufmerksamkeit, ohne euch würde das Ganze hier nur halb so viel Sinn machen. Ich hätte zwar Spaß dran, aber es würde keiner hören. Von daher: Danke, dass ihr rein hört. Und Stephan: Dir danke für deine Zeit, hat mir viel Spaß gemacht. Vielleicht updaten wir das ganze nächstes Jahr, wenn sich die Situation ein bisschen verändert hat. Dankeschön.

[00:41:14.965] – Stephan
Ich danke dir und auch der Dank, dass du einen Podcast wie diesen machst. Ich glaube, dass es enorm wichtig, auch andere Menschen damit zu berühren. Und das ist unglaublich viel wert. Du gibst sehr viel mit deinen Gesprächspartnern, die du auswählst. Danke dafür.

[00:41:31.765] – Christian
Danke dir, danke euch und bis zur nächsten Ausgabe. Ciao zusammen


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