Papier und Stift im digitalen Arbeiten: Wie analog und digital sich menschenfreundlich ergänzen

Vier Personen sitzen an einem Tisch und arbeiten konzentriert an verschiedenen Aufgaben. Sie nutzen Laptops, Papiere und andere Büromaterialien. Über ihren Köpfen schweben Symbole, die Ideen und Kommunikation darstellen, wie eine Sprechblase mit einem Häkchen und ein Funksignal. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Teamarbeit und kreativem Austausch.

Sind Papier und Stift im Jahr 2025 anachronistische Überbleibsel für Ewiggestrige? Oder sind analoge Werkzeuge DIE Antwort auf die wachsende Informationsflut?

Für beide Positionen finden sich zahlreiche Blogartikel und YouTube-Videos. In meiner Arbeit hatte ich Zeiten, in denen ich komplett digital gearbeitet und alles Analoge als altmodisch und ineffizient abgetan habe.

Nun ja, ich habe dazu gelernt. Heute bin ich der Überzeugung: Analoge und digitale Werkzeuge können wunderbar zusammenpassen. Ich gehe sogar noch weiter:

Eine Arbeitsweise, die analog und digital bewusst kombiniert, ist die beste Arbeitsform, die wir aktuell haben – wenn wir die Stärken beider Ansätze menschenfreundlich und produktivitätsfördernd kombinieren.

Smartphones und generative KI machen die Kombination möglich

Noch vor wenigen Jahren war der Übergang zwischen analog aufgezeichneten Informationen in den digitalen Teil der Arbeit der Flaschenhals. Der für die Informationsübertragung notwendige Zeit- und Technikaufwand war so groß, dass die Nutzung analoger Werkzeuge zu einer Bremse werden konnte.

Das hat sich grundlegend geändert. Moderne Smartphones können bereits mit der Standard-Kamera-App Text von gedruckten Dokumenten und sogar handschriftlichen Notizen scannen und in digitale bearbeitbare Texte verwandeln.

Und generative KI-Werkzeuge wie Le Chat von Mistral können durch ein einfaches Foto aus handschriftlichen Notizen digitale Dokumente und aus Skizzen funktionierende Website-Prototypen erstellen.

Die technischen Möglichkeiten, um den Übergang von analogen zu digitalen Medien schnell und praxistauglich zu organisieren, sind also vorhanden.

Doch nur weil etwas technisch möglich ist, muss es nicht sinnvoll sein. Die zentrale Frage lautet daher:

Warum sollten wir bei all den digitalen Möglichkeiten noch analog arbeiten?

Analoge Werkzeuge ermöglichen menschenfreundliches Arbeiten

Um die folgenden Argumente richtig einzuordnen, ist ein kurzer Blick auf den Kontext sinnvoll, in dem ich meine Erfahrungen sammle.

Ich arbeite fast ausschließlich im Bereich der Sozialen Arbeit, Wohlfahrt und in gemeinnützigen Organisationen. Natürlich gibt es auch in diesen Organisationen zahlreiche Menschen, die inzwischen primär oder ausschließlich digital arbeiten.

Doch viele der Fachkräfte, egal in welchem Arbeitsfeld, nutzen gerne Papier und Stift. Teilweise aus Gewohnheit, teilweise als bewusstes Statement gegen die, subjektiv, als übermäßig empfundene Digitalisierung.

Einige Jahre lang habe ich versucht, die Vorteile rein digitalen Arbeitens zu vermitteln. Meine Annahme damals: Sobald die Menschen sehen, wie viel effizienter digitales Arbeiten ist, werden sie von selbst wechseln.

Ja, ich war jung und naiv. Und ich war noch etwas: zu digital fokussiert.

Denn in den letzten Jahren ist mir klar geworden, dass wirklich menschenfreundliche Arbeit analoge und digitale Komponenten braucht.

Diese Erkenntnis kam bei mir während der Corona-Pandemie. Also ironischerweise genau in der Zeit, in der die Digitalisierung des sozialen Bereiches einen, wenn auch nicht freiwilligen, Sprung nach vorne machte.

Wirklich menschenfreundliche Arbeit braucht auch analoge Elemente. 

Meine drei Hauptargumente dafür sind:

  1. Digitale Werkzeuge bieten viele Möglichkeiten – zu viele, um genau zu sein. Klar, der Nicht-stören-Modus ist nur einen Klick entfernt. Das gilt nur leider auch für die Benachrichtigungen, E-Mails und anderen Informationen, die „man mal eben schnell“ nachschauen kann. Bewusst analoge Arbeitsphasen helfen dabei, konzentriert zu arbeiten und sich in die wichtigen Themen zu vertiefen.
  2. Die Arbeitszeit mit und vor Computern, Smartphones und Tablets ist in den letzten Jahren massiv angestiegen. Das gilt auch für Berufe, beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Präsenzangeboten, die ihren Arbeitsschwerpunkt nicht im Digitalen haben. Analoge Werkzeuge, Methoden und Arbeitsphasen helfen dabei, Bildschirmpausen einzulegen, den gedanklichen Modus zu wechseln und Hirn und Aufmerksamkeit eine Pause von der ständigen digitalen Arbeit zu bieten.
  3. Analoges Arbeiten ist langsamer als digitales Arbeiten. Das ist beispielsweise bei Notizen, vorausgesetzt, jemand tippt mit mehr als zwei Fingern, offensichtlich. Was oberflächlich betrachtet nach Produktivitätsverlust klingt, ist bei genauer Betrachtung ein Qualitätsgewinn. Sowohl für die Arbeit als auch für die Menschen, die diese Arbeit ausführen. Denn reduzierte Arbeitsgeschwindigkeit bietet auch Zeit für Reflexion, bewusste Beschäftigung mit Themen und die Frage: „Was davon ist wirklich wichtig?“

Neben diesen auf menschenfreundliches Arbeiten fokussierten Argumenten gibt es einen weiteren Aspekt, der jedoch primär für Organisationen, und damit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, relevant ist:

Eine strukturierte Kombination aus analogen und digitalen Werkzeugen bietet Mitarbeitenden Freiheit bei der Wahl ihrer Arbeitswerkzeuge.

Dadurch werden einerseits die Selbstbestimmung und der Gestaltungsspielraum der Mitarbeitenden gestärkt. Andererseits können Organisationen unnötige Diskussionen vermeiden, die bei der Umstellung auf rein digitale Workflows meiner Erfahrung nach fast unumgänglich sind.

Natürlich müssen sich Fachkräfte dennoch mit neuen digitalen Werkzeugen befassen und die Nutzung erlernen. Doch wenn sie in den Bereichen, in denen analoge Werkzeuge Vorteile bieten, bei diesen bleiben können, erhöht das häufig die Akzeptanz der digitalen Werkzeuge. Weil sie dann eben nicht alles auf einmal umstellen müssen.

Analog und digital als des Workflows: 7 Tipps für die Praxis

Bleibt die Frage, wie die strukturierte Kombination aus analogen und digitalen Elementen ganz praktisch in der täglichen Arbeit gelingen kann.

Im Folgenden habe ich die 7 Tipps zusammengestellt, die zeigen, wo analog und digital ihre Stärken haben und wie sich diese ergänzen. Alle basieren auf meiner Erfahrung der letzten Jahre und haben sich in der Praxis meiner Kundinnen und Kunden bewährt:

  1. Analoge Werkzeuge als Filter nutzen.
    Handschriftliche Notizen sind meist langsamer als getippte. Doch gerade dieser Geschwindigkeitsnachteil führt dazu, dass handschriftliche Notizen sich auf die wesentlichen Informationen fokussieren und unwesentliche weglassen. Natürlich können handschriftliche Notizen auch digital erstellt werden, doch dieser Ansatz kann Tipp Nummer zwei zuwiderlaufen.
  2. Informationen reflektiert und fokussiert verarbeiten.
    Werden handschriftliche Notizen digital erstellt, können sie aus meiner Sicht zu schnell und unreflektiert weiterverarbeitet werden. Apps wie Nebo bieten auf dem iPad beispielsweise die Möglichkeit, handschriftliche Notizen direkt in Dokumente zu konvertieren. Mit generativen KI Funktionen können die handschriftlichen Funktionen sogar direkt zusammengefasst werden. Das kann eine Arbeitserleichterung sein – oder die Reflexion der notierten Informationen überflüssig machen.
  3. Kreativität braucht auch Haptik.
    Trotz digitaler Whiteboards und anderen technischen Möglichkeiten werden viele Workshops, in denen es um kreative Problemlösungen, Ideen oder ähnliches geht, immer noch analog mit Moderationskarten gehalten. Natürlich ist da auch Gewohnheit dabei. Doch ich bin überzeugt: Die Haptik des händischen Verschriftlichens, die physische Anordnung von Karten auf einer Pinnwand, der direkte Austausch mit den anderen Teilnehmenden oder der zufällige Blick auf eine andere Karte, der neue Ideen entstehen lässt – all das ist wichtig. Und digital, Stand heute, noch nicht abbildbar.
  4. Fokuszeiten am besten analog gestalten.
    Seit Jahren bin ich Fan des Konzepts der Fokuszeit. Es ist denkbar einfach: Während eines klar definierten Zeitraums, einer Stunde oder Ähnliches, werden alle Benachrichtigungen abgeschaltet und telefonische Erreichbarkeit ist nur in Notfällen möglich. In dieser Zeit arbeitet die jeweilige Fachkraft konzentriert an den für sie wichtigen Aufgaben. Natürlich sind für manche Arbeiten digitale Werkzeuge sinnvoll und nötig. Doch meiner Erfahrung nach lässt sich vieles besser analog bearbeiten, wenn es wirklich um Fokus. Die Übertragung ins Digitale ist technisch kein Problem mehr.
  5. Digitale Werkzeuge glänzen bei der Informationsverarbeitung.
    Die handschriftlich erstellten Notizen oder das Fotoprotokoll des letzten Workshops sollen zu konkreten Konzepten werden? Dann sind digitale Werkzeuge gefragt. Texterkennung macht aus handschriftlichen Notizen oder Moderationskarten in kürzester Zeit digital bearbeitbaren Text und so die Grundlage für Dokumente und Konzepte. Entscheidend: Vor der digitalen Verarbeitung werden die analog erfassten Informationen reflektiert und auf die wesentlichen Inhalte reduziert. Nur diese werden digital verarbeitet.
  6. Digitale Werkzeuge ermöglichen Kollaboration.
    Ja, die Zusammenarbeit in Präsenzworkshops ist toll und wichtig. Doch immer mehr Teams sind entweder komplett remote oder mindestens hybrid, also sowohl in Präsenz als auch remote verteilt. Ohne digitale Werkzeuge wie Online-Dokumente, Chat-Systeme und Ähnliches wäre eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht möglich. An dieser Stelle gilt für mich der Grundsatz: Analog glänzt individuell und in Präsenz, online und im Team ist digitale Zusammenarbeit angesagt.
  7. Analog und digital – lasst Fachkräften einfach die Wahl.
    Der letzte Tipp ist vielleicht der wichtigste: Wenn ihr in eurer Organisation klar definiert habt, bei welchen Aufgaben, siehe dazu Tipp fünf und sechs, digital gearbeitet werden muss, lasst den Fachkräften bei allen anderen Aufgaben die Wahl. Schafft den Gestaltungsfreiraum, damit jede und jeder sich frei zwischen analogen und digitalen Werkzeugen entscheiden kann. So können alle Mitarbeitenden ihre Stärken optimal einbringen, erfahren Selbstwirksamkeit und haben mehr Spaß an der Arbeit.

Und wie sieht es bei mir aus? Ich nutze Papier und Stift für meine Notizen, Moderationskarten fürs haptische Denken und arbeite viel mit generativer KI und digitalen Werkzeugen.

Erst die Kombination aus analog und digital macht mich wirklich produktiv, kreativ und vor allem zufrieden und glücklich mit meiner Arbeit.

Mich interessiert natürlich, wie ihr arbeitet. Schreibt mir gerne eure Arbeitsweise und Werkzeuge, bitte ohne Affiliate Links oder Werbung ;), in die Kommentare.


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