Über Digitale Transformation in der Sozialen Arbeit wird viel gesprochen. Meist jedoch aus der Perspektive der Organisationen und Träger und eher anekdotisch. Mit dem Projekt digi@socialwork haben Sabine Klinger und Andrea Mayer wissenschaftlich untersucht, was Fachkräfte der Sozialen Arbeit brauchen, um die Digitale Transformation zu gestalten.
Der Titel auf der Projektseite von digi@socialwork ist lang, verspricht jedoch viel: „Soziale Dienstleistung im Zeitalter der Digitalisierung – Digitale Transformationsprozesse aktiv gestalten“. Was ich daran besonders spannend finde ist der „aktiv gestalten“ Teil. Denn viel zu oft treffe ich in meiner Arbeit auf Soziale Einrichtungen und Träger, die Digitale Transformation als eine Art Naturphänomen betrachten. Die Haltung: Alles wird digitaler, da können wir ohnehin nichts gegen tun. Doch das stimmt nicht.
Digitale Transformation lässt sich gestalten, auch und gerade in der Sozialen Arbeit. Denn die Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Arbeitsfeldern sind nicht nur kreativ, sondern auch fachlich extrem kompetent und hoch motiviert – wenn sie Raum, Zeit und Ressourcen dafür bekommen. Der viel beschworene Mythos von den technikaversen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist genau das: Ein Mythos.
Das können auch Sabine Klinger und Andrea Mayr auf Basis ihrer Studie bestätigen. Sie haben vom 01.06.2020 bis zum 31.05.2022, gefördert von der Universität Graz durchgeführt und aus Mitteln der Arbeiterkammer Steiermark, untersucht, wie Fachkräfte der Sozialen Arbeit zur Digitalisierung stehen und was sie brauchen, um die Digitale Transformation zu gestalten.
Auf der Projektseite klingt das dann so:
Die zentralen Ziele dieses Projektes sind:
1) Die Erfahrungen der ArbeitnehmerInnen im Zuge der Nutzung digitaler Medien und Technologien österreichweit zu ermitteln.
2) Mit ArbeitnehmerInnen gemeinsam Orientierungsleitfäden und institutionalisierte Formen der Beteiligung zu entwickeln, um digitale Transformationsprozesse strategisch, transparent und aktiv mit zu gestalten.
Ihre Ergebnisse haben sie auch auf Research Gate unter dem bereits genannten Titel „Soziale Dienstleistung im Zeitalter der Digitalisierung – Digitale Transformationsprozesse aktiv gestalten“ veröffentlicht.
Im Sozialgespräch Podcast erläutern Sabine Klinger und Andrea Mayer unter anderem, wie sie die Idee für digi@socialwork entwickelt haben, was ihre Highlights waren und welche Nutzung der Ergebnisse des Projekts sie sich wünschen. Spoiler: Sowohl die Toolbox als auch das Plakat dürfen und sollen gerne genutzt und verbreitet werden.
Jetzt viel Spaß mit dem Podcast und der Transkription.
digi@socialwork im Sozialgespräch Podcast: Transkription
Christian
Ganz herzlich willkommen Sabine Klinger und Andrea Mayr.
Sabine
Vielen Dank für die Einladung. Wir freuen uns, uns und unser Projekt bei dir vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Sabine Klinger. Ich bin Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin. Derzeit arbeite, forsche und lehre ich an der Universität Graz zu den Themen Digitalisierung und soziale Medien in der Sozialen Arbeit, aber auch zu Diversity und zur feministischen Hochschullehre.
Andrea
Hallo auch von meiner Seite. Mein Name ist Andrea Mayr. Ich habe auch Erziehungs- und Bildungswissenschaft in Graz studiert, bin promovierte Sozialpädagogin und arbeite ähnlich wie Sabine gegenwärtig am Thema Digitalisierung. Darüber hinaus beschäftigt mich das Thema Partizipation in der Praxis, aber auch in der Forschung.
Christian
Danke euch beiden und vor allem danke, dass ihr euch Zeit nehmt. Ich weiß, dass eure Kalender nicht komplett leer sind, von daher: Herzlichen Dank dafür!
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ihr hört schon, wir haben heute zwei Expertinnen zu Gast. Sabine, du hast es schon anklingen lassen: das Thema Digitalisierung. Andrea, bei dir klang es auch durch. Soziale Arbeit und Digitalisierung ist eines der Themen, über die wir im Podcast ganz viel sprechen. Ihr habt euch dazu aber nicht nur Gedanken gemacht, sondern schon ein bisschen mehr an diesem Thema gearbeitet.
Was ist digi@socialwork?
Das läuft unter dem Titel: digi@socialwork. Wer mir auf LinkedIn folgt, wird den einen oder anderen Beitrag gesehen haben, den ich geteilt habe. Ich bitte euch beide, wer den Anfang macht, überlasse ich euch, uns kurz zu erklären: Was ist digi@socialwork? Was verbirgt sich dahinter?
Sabine
Ich fange mal an. Andrea kann mich jederzeit ergänzen. Hinter diesem Akronym digi@socialwork steckt ein Forschungsprojekt, das die Fachkräfte ins Zentrum stellt. Die Digitalisierung und die Fachkräfte der Sozialen Arbeit stehen bei dem Projekt im Zentrum. Es war ein Forschungsprojekt, das wir in den letzten zwei Jahren bereits geplant, durchgeführt und abgeschlossen haben.
Wir haben uns gefragt, wie Fachkräfte in der Sozialen Arbeit Digitalisierung, Digitale Transformation erleben. Wie sieht deren Alltag aus? Was machen sie? Welche Herausforderungen bieten sich? Welche Potenziale sehen sie? Und natürlich hat uns auch ganz stark die Frage beschäftigt: Wie können sie den Wandel der Digitalisierung aktiv mitgestalten? Und wie können sie das, was sie benutzen, wie sie damit umgehen, mitgestalten? Das waren aus meiner Sicht die wichtigsten Eckpunkte zu dem Projekt, das wir in Österreich durchgeführt haben.
Andrea
Wir haben uns in der Erhebung den Daten auf unterschiedlichen Ebenen angenähert. Wir haben zum einen eine groß angelegte Fragebogenerhebung durchgeführt, die online stattgefunden und tatsächlich Fachkräfte in ganz Österreich erreicht hat. Darüber hinaus haben wir mit Fachkräften in Gruppendiskussionen über das Thema diskutiert und abschließend in IdeenLabs, so haben wir dieses Diskussionsforum genannt, auf Basis unserer Forschungsergebnisse über konkrete Handlungsempfehlungen nachgedacht. Welche Themen beschäftigen sie? Wie erleben sie das konkret in der Praxis? Welche Umsetzungspraktiken gibt es bereits? Was empfehlen sie vor dem Hintergrund? Und was können sie an andere Fachkräfte, aber auch an Leiter anderer Organisationen, anderer Einrichtungen weitergeben, wo sehen sie konkrete Ansatzpunkte?
Sabine
Ein anderes Schlagwort ist die partizipative Forschung, die auch ganz wichtig ist. Andrea hat gerade die IdeenLabs angesprochen. Aber auch in den Gruppendiskussionen war es uns ganz wichtig, dieses Thema mit den Fachkräften zu bearbeiten und zu schauen: Was empfehlen sie sich gegenseitig? Was finden sie gut? Was läuft schlecht? Und nicht nur über sie zu forschen, sondern auch mit ihnen gemeinsam etwas zu entwickeln und das Feld zu erkunden. Das war uns sehr wichtig.
Andrea
Ergänzend dazu ist es ganz spannend, wenn man sich die Handlungsempfehlungen anschaut. Wir finden, dass sie ganz konkret sind. Diese Empfehlungen sind nicht auf einer Metaebene positioniert, auf der man dann selbst denken und überlegen muss, wie man es auf die Handlungsebene bringt? Sondern hier gibt es mit den Best-Practice-Beispielen, die darin zu finden sind, noch mal ganz konkrete Ansätze. Von denen man auch Ideen kriegt, in welche Richtung man denken kann, wo man ansetzen kann, was denn da bereits passiert und sich davon wunderbar inspirieren lassen kann.
Christian
Das heißt – das war auch das, was mich so interessiert hat und warum ich euch angefragt habe –, es ist nicht das klassische Forschungsprojekt, das sich weitgehend theoretisch damit beschäftigt, wie Digitalisierung in der Sozialen Arbeit aussehen könnte. Dazu haben wir inzwischen doch einiges. Sondern ihr seid schon sehr praktisch herangegangen, wart mit den Fachkräften im Gespräch, habt sie einbezogen. Es war sehr konkret, was ich natürlich besonders spannend finde.
Um den Spannungsbogen oben zu halten, kommen wir noch nicht direkt zu den konkreten Empfehlungen, sondern gehen noch einen halben Schritt zurück. Ich habe eine Frage. So ein Forschungsprojekt, wie ihr es gemacht habt – es hat auch einige Jahre gedauert, ihr habt es abgeschlossen –, entsteht nicht im luftleeren Raum. Das fällt einem nicht über Nacht ein. Nehmt uns doch bitte einmal mit in die Entstehungsgeschichte zu digi@socialwork.
Wie ist die Idee dafür entstanden?
Wie seid ihr auf diesen Ansatz gekommen, das zum einen sehr praxisorientiert, zum anderen auch partizipativ zu machen und zum Dritten überhaupt ein Projekt in dem Umfang über so einen Zeitraum zu fahren. Es ist schon ein Commitment, eine Festlegung, zwei Jahre oder länger daran zu arbeiten. Wie ist das entstanden? Wo kam die Initiative her?
Sabine
Entstanden ist das Projekt, also dieser erste Gedanke, eigentlich schon 2018 in einem anderen Forschungsprojekt. Es ging darum, Potenziale digitaler Mediennutzung, Aspekte, Perspektiven von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeberinnen anzusehen. Wir hatten den Blick nicht nur auf Fachkräfte, sondern auch auf Arbeitgeberinnen. Bei dem Forschungsprojekt ging es auch ganz stark um digitale Mediennutzung. Wir haben uns gemeinsam mit einer Kollegin aus den Systemwissenschaften nicht nur die Soziale Arbeit angeguckt, sondern auch wirtschaftlich orientierte Betriebe.
Das Projekt war auch sehr spannend und hatte auch eine Laufzeit von zwei Jahren. Bei dem Projekt hat sich gezeigt, dass es zwar viele Übereinstimmungen gibt, aber auch Unterschiede. Sie kämpfen mit gleichen, aber auch mit nicht gleichen Problemen in den zwei Bereichen. Aus diesem Projekt heraus entstand der Wunsch und auch die Idee, sich näher mit der Sozialen Arbeit zu beschäftigen. Denn das ist noch mal ein eigenes Feld, eine eigene Logik und hat einen eigenen Zugang zu dem Thema. Das war alles noch vor Corona. Damals hat uns dieser Prozess der Digitalisierung schon sehr interessiert.
Das war, glaube ich, ausschlaggebend, dass wir beide, Andrea als auch ich, sehr stark und gerne partizipativ forschen: also mit den Leuten und nicht über die Menschen. Es war für uns wichtig, dass das einen zentralen Teil in unserer Forschung ausmacht, um auch österreichweit Aussagen darüber treffen zu können, wie sich die Fachkräfte in ihrer Nutzungskompetenz einschätzen. Wie das in unterschiedlichen Arbeitsbereichen aussieht. Der Wunsch war, einen Überblick für Österreich zu schaffen. Auch weil wir natürlich sehen, dass es schon viel Forschung in Deutschland gibt und es auch mal cool wäre, eigene Daten zu haben, um auf die Bezug nehmen zu können.
Das Feld nicht immer nur angelehnt an jemanden oder etwas zu besprechen, sondern auch wirklich aus diesem eigenen Kontext heraus zu betrachten. Das war die treibende Kraft hinter diesen Ideen. Und natürlich das Faszinosum Digitalisierung: Wie machen die Leute das denn in einem Feld, das eigentlich davon geprägt ist, mit Menschen zu arbeiten, Beziehungsaufbau zu machen.
Andrea
Nur als kurze Ergänzung: In dem Vorgängerprojekt ist ganz klar geworden oder schön herausgekommen, dass die Perspektiven von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen unterschiedlich sind. Vor allem wenn man auf einer leitenden Ebene tätig ist, bei der es darum geht, Entscheidungen zu treffen, sind vielfach Potenziale oder Nutzen oder diese Aspekte wie Arbeitserleichterung schneller greifbar als für Menschen, die das umsetzen. Die oft gar nicht in diese Prozesse mit eingebunden sind, die vieles nicht wissen.
Hier ist noch mal klar geworden, dass es unterschiedliche Wahrnehmungen gibt und unterschiedliche Themen relevant sind.Das war auch mit ein Grund zu sagen, dass wir uns ganz konkret diese Ebene der Fachkräfte anschauen und schauen, wie diese das Thema wahrnehmen und welche Bedürfnisse es da gibt.
Christian
Ihr habt damit schon eine Frage beantwortet, die ich gehabt hätte: Warum Fachkräfte und nicht Leitungsebene? Das war gerade eine schöne Antwort. Viele der Projekte konzentrieren sich ja auf die Leitungsebenen, auf die Organisationen selber. Was sind die Erwartungen, die sie haben? Ihr sagt: „Nein, wir kommen von den Menschen, die die Arbeit machen“, wenn ich es etwas überspitzt formuliere.
Ihr habt gerade angedeutet, dass das Vorprojekt auch mit der Wirtschaft zu tun hatte. Es war eine Überschneidung, nicht nur ein sozialer Fokus. Ich habe mir im Vorfeld natürlich auch euer Video zum Projekt angeschaut. Das findet ihr, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch im Blogartikel zur Podcastfolge verlinkt. Anschauen lohnt sich. Dort kommen auch viele Begriffe vor, die wir aus dem wirtschaftlichen Kontext kennen. Ich lese ein paar vor, die ich mir notiert habe: unabhängiges Arbeiten, digitale Tools nutzen, übergreifendes Arbeiten, natürlich Datenschutz, was nicht überraschend ist, aber auch Digitalstrategie und so weiter. Also eigentlich alles Themen, die uns nicht nur seit Corona, aber vor allem auch mit Corona, glaube ich, in allen Bereichen der Wirtschaft und Sozialwirtschaft beschäftigen.
Unterschiede der Digitalen Transformation in Wirtschaft und Sozialer Arbeit?
Ihr habt gesagt, dass ihr schon im Vorprojekt gemerkt habt, dass unterschiedliche Erwartungen, Unterschiede und Eigenheiten vorhanden sind. Was sind aus eurer Sicht die wichtigsten Unterschiede, die ihr persönlich als größte Unterschiede zwischen den wirtschaftlichen Unternehmen und Organisationen, mit denen ihr zu tun hattet, und dem Feedback der Fachkräfte aus dem Sozialen seht? Wo gibt es für euch den Punkt, an dem ihr sagt: „Okay. Das ist ein klarer Unterschied, da sieht man schon die verschiedenen Perspektiven“? Was sind eure Favoriten, die das deutlich machen?
Sabine
Ich habe zwei Favoriten. Der eine ist, dass es einen Unterschied macht, ob die Digitalisierung ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells selbst ist oder ob es eher als unterstützendes Instrument verstanden wird, das die persönliche Kommunikation oder die Angebote nicht ersetzen kann. Und das ist in der Sozialen Arbeit der Fall. Das heißt, es macht einen riesigen Unterschied, inwieweit es, wir sagen, Investmentpotenzial gibt. Denn Innovationspotenzial gibt es ja in allen Bereichen. Aber dieses Investmentpotenzial, das macht einen Unterschied. Und der ist in der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht nicht so stark gegeben.
Christian
Kurze Nachfrage, wenn ich darf. Mit Investmentpotenzial meinst du: Wie bereit sind sie, da hinein zu investieren?
Sabine
Genau. Wie sind Einrichtungen bereit zu investieren? Aber auch in welchem Ausmaß man in diesem Feld Geld mit einem bestimmten Tool machen kann? Dieser wirtschaftstreibende Faktor ist in der Sozialen Arbeit, finde ich, nicht so stark gegeben. Zum einen, weil das Feld sehr fragmentiert ist. Es gibt ganz viele unterschiedliche Handlungsbereiche mit zum Teil unterschiedlichen Handlungslogiken. Das heißt, man kann dieses eine Feld nicht mit einem Tool, nicht mit einer Software bedienen, damit gleich ganz viele Bereiche abgedeckt sind, sondern viele Tätigkeiten, Bereiche haben eigene Logiken. Das heißt, jede Software, auch in der Zeitaufzeichnung, aber zum Teil auch in der Kommunikation mit den Adressat*innen, muss im besten Fall anwendungsorientiert entwickelt werden. Das wäre das Wunschpaket.
Der zweite Punkt, der aus meiner Sicht auch noch wichtig ist, ist, dass die Personen oder die Fachkräfte in der Sozialen Arbeit stärker Nutzer*innen und Anwender*innen sind und nicht Gestalter*innen oder Mitgestalter*innen der Tools. Das, finde ich, sind die wichtigsten Aspekte, weil es ein wichtiger Teil der Arbeit ist. Es wird genutzt und angewendet, aber nicht mitgestaltet. Das sind meine zwei Punkte, die mir als erstes in den Sinn kommen.
Andrea
Vielleicht ergänzend dazu: Es gibt zum einen diese organisationale Ebene, bei der es darum geht, entsprechende Tools zur Verfügung zu stellen, um Arbeit dokumentieren, um Aufzeichnungen erledigen zu können. Um auch das Thema Qualität in der Sozialen Arbeit gut bedienen zu können. Die andere Ebene ist die Ebene der Adressat*innen und wie stark diese das Thema mit ins Feld hereinbringen. Das ist sehr unterschiedlich, weil die Adressat*innen, die unterschiedlichen Zielgruppen (von der Wiege bis zur Bahre, von kleinen Kindern bis zu alten Menschen und in einer digitalisierten Gesellschaft) auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Das heißt, in manchen Bereichen ist seitens der Adressatinnen und Adressaten das Bedürfnis, digital zu sein, gar nicht da. Und in anderen Bereichen ist das Bedürfnis wiederum sehr groß, wie beispielsweise, wenn man mit Jugendlichen arbeitet. Es ist auch für mich ein Thema, dass das Thema ganz stark von der Zielgruppe ins Feld getragen wird und in manchen Bereichen die Entscheidungen gar nicht so klar von den Fachkräften getroffen werden kann. Bleiben sie analog oder arbeiten sie auch digital?
Gleichzeitig ist es aber dann doch wieder ein Thema: Wo gehen sie in das Digitale hinein? Wo bewegen sie sich in virtuellen Welten? Wo begegnen sie sich online und für welche Bereiche und für welche Themen ist es dann aber wieder wichtig, die direkte Interaktion zu nutzen? Hier im Analogen zu sein. Das heißt, es gibt wenig klare Antworten, die das ganze Feld bespielen, sondern es ist situationsbezogen. Das ist noch ein Unterschied.
Christian
Das heißt, so wie ich euch verstehe, dass der Punkt ist, dass es in der Wirtschaft so ist, dass sich ein Unternehmen auch entscheiden kann zu sagen: „Dann bedienen wir halt nur die Kunden und Kundinnen, die digitalaffin sind. Das ist eben unser Produkt.“ Die Wahl habe ich im sozialen Bereich nicht. Ich habe eigentlich den Anspruch, allen, die hilfsbedürftig oder ratsuchend sind, zur Verfügung zu stehen, ob sie es digital wollen oder nicht. Die Wahl kann ich nicht treffen. Ich kann nicht sagen: „Wir adressieren nur digitalaffine Zielgruppen.“ Das wird definitiv nie im Sozialen Bereich funktionieren.
Was sind eure Highlights von digi@socialwork?
Ihr habt vorhin gesagt, dass ihr viel mit den Fachkräften gesprochen und mit ihnen zusammen geforscht habt. Ihr habt sie auch gefragt, was ich ganz spannend finde, welche Tipps sie untereinander, kollegial haben. Was würden sie selber empfehlen? Was halten sie für wichtig? Wir werden jetzt definitiv nicht alles vorwegnehmen. Die Leute sollen sich eure Materialien angucken und in Ruhe reinschauen.
Was sind aus euerer Sicht die Highlights? Was hat euch in dieser Forschung, in dem Projekt vielleicht auch überrascht? Was ist in den zwei Jahren, die ihr hattet, hängengeblieben, von dem ihr sagt: „Das hatte ich nicht unbedingt so erwartet. Das hat sich mir aber extrem eingeprägt.“ Ganz subjektiv aus eurer Sicht. Was sind die Highlights, die ihr herausgreifen würdet, die auch überraschen können?
Andrea
Ein Highlight kommt mit Sicherheit aus der offenen Jugendarbeit, die häufig in Österreich zumindest ressourcenmäßig sehr schlecht ausgestattet ist. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie war ganz klar die Frage: Wie können wir in Kontakt bleiben? Alle sitzen zu Hause und es geht darum, sich irgendwie wieder zu begegnen, Themen zu diskutieren, Unterstützungen anzubieten. Wie kann das funktionieren? Und dieser Bereich der offenen Jugendarbeit ist zwar auch einer, in dem viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Fachkräfte auch sehr technikaffin sind, aber eben auch nicht alle. Auch hier ist das Feld sehr gemischt. Man hat sich partizipativ angenähert und gemeinsam nachgedacht.
Wo Fachkräfte plötzlich nicht mehr die waren, die mehr gewusst haben, sondern die gemeinsam mit der Zielgruppe wahnsinnig spannende Sachen entwickelt haben. Die Begegnung hat auf Augenhöhe stattgefunden und somit gab es auch ein Empowerment auf beiden Seiten. Hier sind wahnsinnig coole und tolle Sachen entstanden, die nicht nur die Begegnung wieder ermöglicht haben, sondern bei denen ganz andere Themen sichtbar geworden sind. Beispielsweise, dass plötzlich Jugendliche erreicht worden sind, die große Hemmschwellen hatten, vor Ort Kontakt aufzunehmen. Denen war es dann möglich, über diesen Weg dabei zu sein und teilzuhaben.
Natürlich ging das auch über regionale Grenzen hinweg, sodass man schauen konnte, wo es Plätze vor Ort gibt, an denen diese Themen gerade auch diskutiert und thematisiert werden. Themen, die einen anspringen, ansprechen und bei denen man sich gut einbringen kann. Da ist durch diese Herausforderung, die von außen gekommen ist, wahnsinnig viel Kreativität entstanden. Es wurde Wissen zusammengetragen und es sind sich ganz andere Menschen begegnet, die gemeinsam etwas Großartiges entwickelt haben. Das habe ich super gefunden. Hier ist deutlich geworden, dass das Denken über die Grenzen der eigenen Einrichtung hinaus ein großartiges Potenzial ist, das einfach genutzt werden kann. Das war das, was mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist.
Christian
Dankeschön. Wie sieht es bei dir aus Sabine?
Sabine
Ein Highlight war für mich ein eher kleinteiliges, nicht so groß angelegtes Beispiel. Mich hat die Erzählung in einer, ich glaube, Gruppendiskussion total beeindruckt, in der darüber nachgedacht wurde: Wann bleibe ich analog, auch in Covid, und wann verwende ich digitale Tools oder mobile Endgeräte? Das war ein super Abwägen von: Wie erreiche ich, obwohl diese Pandemie ist und viele Jugendzentren geschlossen sind, meine Jugendlichen? Da wurde deutlich, dass für diese Jugendlichen irgendwann eine Sättigung erreicht war.
Es war ein: „Boah, jetzt noch ein WhatsApp oder so?!“ Also haben sie in den Jugendzentren wieder angefangen den Jugendlichen Briefe zu schicken. Sie sind bewusst wieder zu Papier und Bleistift zurück und haben Briefe geschickt. Vielleicht auch mit Aufgaben darin, bei denen sie gebeten haben, dass sie wieder zurückgeschickt werden mit den frankierten Umschlägen. Das fand ich total schön. Das hat ihnen auch geholfen, in Kontakt zu bleiben.
Dieses Abwägen zwischen digital und analog ist ein Beispiel, dass mich sehr geprägt hat. Und auch zu sehen, wann eine Entwicklung in welche Richtung notwendig ist, also dieses situationsadäquate, angepasste Handeln. Dieses: „Es wird alles digitalisiert. Puh, jetzt kommen wir nicht mehr weiter. Okay, wir nutzen wieder einen anderen Kanal, um das In-Kontakt-Bleiben zu ermöglichen. Diese Flexibilität, die hat mich wahnsinnig beeindruckt.
Ein Highlight, von dem wir vorher schon wussten, das aber trotzdem von unseren Daten bestätigt wurde, war, dass die Frage der Vereinbarkeit natürlich vor allem Personen betrifft, die auch Angehörige pflegen oder kleine Kinder zu Hause haben. Das haben unsere Daten noch einmal stark bestätigt. Das blieb mir deutlich in Erinnerung.
Und auch, dass die Mitarbeiter*innen und Fachkräfte sagen: „Schulungen sind gut und wichtig, aber wir brauchen Zeit. Wir brauchen zeitliche Ressourcen, um Dinge auszuprobieren, um Sachen neu zu lernen, um Kolleg*innen zu schulen.“ Wenn ich eine Kollegin oder einen Kollegen habe, die sich nicht so gut auskennen, dann brauche ich Zeit und Energie, um Inhalte zu vermitteln. Ich brauche Zeit, um noch nötige Fragen zu klären. Denn es gab eine Einstellung, aber im Tun ergeben sich andere Probleme. Da brauche ich Zeit oder auch Ansprechpersonen. Das ist mir ganz stark in Erinnerung geblieben. Dass es nicht die eine Schulung gibt, sondern dass es viel um Zeit, um zeitliche und finanzielle Ressourcen geht.
Ein schönes positives Beispiel ist auch das einer Berufscoachin. Diese hat Jugendliche begleitet und dann zum Abschluss einer Prüfung mit einem Jugendlichen online angestoßen. Das war außerhalb ihrer Arbeitszeit. Das finde ich cool, weil es außerhalb ihrer Arbeitszeit war. Sie wäre nie dahin gegangen um 20:00. Sie hat zwei kleine Kinder zu Hause, hatte sie erzählt. Sie wäre deshalb nicht zu ihm gegangen und hätte nicht mit ihm feiern können. Sie haben das Online-Tool genutzt, haben sich online getroffen, haben auf den Erfolg angestoßen und konnten so gemeinsam feiern. Das ist natürlich ein hohes Engagement von dieser Fachkraft. Diese Möglichkeit zu nutzen, das ist ein schönes Erlebnis, ein schönes Beispiel.
Christian
Definitiv. Das klingt so, als wären es vor allem, die Fachkenntnisse und Kreativität der Fachkräfte. Und deren klarer, differenzierter Umgang mit dem Thema analog oder digital, den ihr beide beschrieben habt. Was ja während Corona sehr notwendig wurde. Wir hatten alle nicht die große Wahl, wie wir reagieren. Das war auch schon ein bisschen erzwungen.
Andrea
Was ich noch, abseits von dieser Kreativität, ergänzen möchte, ist der Hinweis auf diese Rahmen- und strukturellen Bedingungen, die Sabine bereits angesprochen hat. Zeit ist eine wesentliche Ressource und hat hier einen wesentlichen Einfluss. Dazu konnten wir im Projekt etwas beitragen, nämlich innerhalb dieser IdeenLabs, in denen die Teilnehmenden dieser IdeenLabs auch die Zeit und den Raum zur Verfügung hatten, um organisationsübergreifend zu denken und sich auszutauschen.
Es war auch eine sehr spannende Erfahrung, dass uns dort auch eine große Wertschätzung entgegengebracht wurde. Es waren sehr, sehr kleine Gruppen. Sie haben sich in Zweier-, Dreier-, Vierergruppen ausgetauscht. Einfach das Anschauen und Mitbekommen, wie anderen Organisationen mit dem Thema umgehen, welche Strategien es gibt. Gerade wenn es eine Einrichtung ist, die sehr viele unterschiedliche Bereiche und Felder bedient, zu sehen, wie sie es machen? Man hat dieses Thema, dieses Problem, wie kann man damit umgehen? Man muss nicht alles selber erfinden, sondern es zahlt sich aus, sich zu vernetzen und auszutauschen – organisationsübergreifend, aber auch innerhalb der eigenen Organisation.
Es liegt ein wahnsinniges Potenzial in diesem Austausch. Wir haben auch einen virtuellen Raum, der leichter organisiert werden kann, als wenn man kilometerweit fahren muss. Es war schön, zu sehen was da entsteht, wenn man diesen Raum zur Verfügung stellt.
Christian
Das ist etwas, was in der Praxis auch in Deutschland übrigens immer wieder höre. Es mangelt oft gar nicht an den Menschen im Sozialen, die nicht so technikaffin und nicht offen dafür seien. Das erlebe ich so nicht. Ihr schüttelt auch gerade mit dem Kopf. Es ist eher so, dass ihnen einfach die zeitliche Ressource und der Raum fehlt, um sich damit zu beschäftigen. Wenn sie mit ihrer Alltagsarbeit schon ausgelastet sind und sich dann noch auf Technik und neue Sachen einlassen sollen, verstehe ich, wenn am Ende keine Energie mehr dafür da ist. Ich glaube, da tut man dem Sozialen Unrecht, wenn man sagt: „Die können oder wollen das nicht.“ Ihr beschreibt das ja auch. Als ihr sie gelassen und es ermöglicht habt, kam eine Menge kreativer Input und eine Menge Feedback von den Fachkräften.
Was soll mit den Ergebnissen geschehen und wie geht es weiter?
Mit den vielen Highlights hat sich in meinem Kopf eine Frage gebildet. Das Projekt ist abgeschlossen. Ihr habt die Sachen auch veröffentlicht. Meine Frage sind eigentlich zwei Fragen in einer, deshalb mache ich es in zwei Teilen. Erstens: Gibt es ein Anschlussprojekt oder eine strukturierte Anschlussverwendung für die Ergebnisse? Und zweitens, eine eher persönliche Frage: Was wünscht ihr euch, was mit den Ergebnissen, die ihr dokumentiert habt, passiert? Was wünscht ihr euch, was damit jetzt gemacht wird? Was damit geschieht, wie sie im Anschluss an das Projekt genutzt werden? Ich überlasse euch, wer anfangen möchte.
Andrea
Dann fange ich an. Mit der zweiten Frage: Was wünsche ich mir, was mit diesen Ergebnissen passiert? Es ist das Thema, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es Gestaltungsräume gibt und dass es wichtig ist, mitzudenken und sich einzubringen. Dass man in diese Aktivität, in die Aktion geht und weg von: „Ich bin dem ausgeliefert und ich muss das machen, was mir von oben diktiert wird.“ Dass man sich bewusst ist, dass es wichtig ist, in den Austausch zu kommen, nachzufragen, in die Vernetzung zu gehen und auch Fragen und Themen aufzugreifen und zu diskutieren, die innerhalb des jeweiligen Handlungsfeldes relevant sind. Dass auch die Beteiligung am Diskurs von ethischen Fragestellungen wichtig ist und im Bereich, in dem man gemeinsam überlegt: Wo unterstützt uns dieses Thema Digitalisierung, wo aber braucht es auch Grenzen? Um diese Gestaltbarkeit geht es mir ganz stark. Dass sie im Bewusstsein ist und eine aktive Auseinandersetzung passiert. Das würde ich mir wünschen.
Sabine
Ich versuche mal, beide Teile zu beantworten. Ich fange mit der weiteren Forschung an. Wenn ich es mir wünschen darf, würde ich mir drei Forschungsprojekte wünschen. Einmal eines, in dem es darum geht, so etwas wie einen Lehrgang oder ein Ausbildungssemester mit Fachkräften zu entwickeln. Was möchten sie gerne zum Thema Digitalisierung wissen, erarbeiten, tun? Das wäre ein Wunschprojekt. Und das ist auch wieder ganz eng damit verbunden, gemeinsam mit den Fachkräften etwas zu entwickeln, durchzuführen und zu verbessern.
Das zweite Wunschprojekt wäre, sich mit Fachkräften Tools, Softwareprogramme und Softwareentwicklungen anzuschauen. Wie man gemeinsam mit Programmier*innen, Personen, die sich auskennen, ein Tool entwickelt. Wirklich ganz nah an der Logik der Sozialen Arbeit, an den entsprechenden Handlungsfeldern dran. Diesen interdisziplinären Zugang würde ich total faszinierend und super finden. Da ist ganz viel Potenzial vorhanden.
Das dritte Forschungsprojekt oder die Thematisierung, die ich mir wünschen würde, ist, dass wir uns neben diesen ethischen Fragen, wie sie Andrea schon angesprochen hat, mehr damit beschäftigen, was diese Digitalisierung alles hat und wie damit umgegangen wird. Wir tun so, als wäre es kein technikaffines Feld. Wir tun so, als würde nur der Mensch im Mittelpunkt stehen. Dabei stimmt es nicht mehr. Digitalisierung ist im Herzen der Sozialen Arbeit angekommen. Es geht um Menschen, aber trotzdem wird um sie herum digital gearbeitet und manchmal werden sie sogar vergessen. Und was hat dieses Narrativ, dieser Diskurs damit zu tun, dass das ein Bereich ist, in dem vorwiegend Frauen arbeiten? Das ist ein Punkt, den ich sehr spannend finde und der mich interessiert.
Das sind meine drei Wunschthemen, wenn ich es mir wünschen darf. Ich würde mir total wünschen, dass dieses Plakat von uns ausgedruckt oder angefordert wird und in den Büros hängt, um das Thema Digitalisierung sichtbar zu machen und dafür zu sensibilisieren. Das ist nämlich nichts, was nebenbei passiert. Wir haben es schon gesagt, man muss Zeit dafür haben. Auch dafür, dass sichtbar wird, in welchen unterschiedlichen Bereichen das alles hineingeht und damit von den Fachkräften zur Führungsebene gelangt: Ja genau, diese Digitalisierungsstrategie, die braucht es.
Die Akzeptanz der Digitalisierung und die Nutzung von Tools steigt, je stärker die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass es ihrer Arbeit nützt und nicht hinderlich ist und dass sie in Entwicklungen eingebunden sind. Das ist der Wunsch, dass dieses Plakat hängt oder das Video angeschaut wird und so das Thema sichtbar wird, damit auch gehandelt werden kann. Und vielleicht steht sogar irgendwann einmal in einer Arbeitsplatzbeschreibung, dass der Umgang mit digitalen Technologien in dem Bereich wichtig ist und man Kompetenzen braucht und somit auch Gehälter steigen. Das wäre ein ganz langer Faden, ich weiß, aber man darf auch wünschen und träumen.
Christian
Ich bin Berufsoptimist als Sozialpädagoge. Das passt wunderbar. Das gehört ja eigentlich zum Job, dass wir optimistisch nach vorne schauen. Bei euch beiden hört man definitiv die Leidenschaft heraus, dass ihr das aus Überzeugung tut und auch investiert. Das finde ich super. Es wäre schon genial, wenn eure Wünsche, seien es die Forschungsprojekte oder sei es das, was daraus gemacht wird, passieren würden. Was ich bei den Forschungsprojekten vor allem spannend finde, ist die Frage nach dem Selbstbild. Was macht das Narrativ mit dem Bereich? Mein Gefühl ist, da kommt der Kommunikator in mir durch, dass manche Diskussionen mit einem etwas selbstbewussteren Auftreten des Bereiches anders geführt werden könnte. Seien es Diskussionen um Mittel, Fachkräfte oder Rahmenbedingungen. Da haben wir noch ein bisschen Luft nach oben und ich bin mir sicher, dass es auch in Deutschland für alle gilt.
Ihr habt es gerade schon angesprochen: das Plakat, das Video. Natürlich ist alles, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, für euch im Blogartikel verlinkt. Es ist auch in den Shownotes. Wenn ihr jetzt gerade mit dem Smartphone hört, dann geht in die Shownotes. Ihr habt dort die Links zu den einzelnen Kapiteln und es sind auch weitere Links hinterlegt. Dennoch die Frage an euch beide, für diejenigen, die jetzt zuhören und nicht klicken, sondern es sich merken wollen: Wo finde ich denn die Ergebnisse, am besten die gesammelten Abschlussergebnisse, die Infos zu eurem Projekt?
Sabine
Da gibt es drei Plätze, wo man es gut findet. Einmal auf unserer Homepage. Die lautet: https://digital-at-socialwork.uni-graz.at/de/. Dann auf LinkedIn, dort habe ich auch schon ein paar Sachen zum Video und auch zu unserem Faltplan und dem Poster gepostet. Und auf ResearchGate haben wir unser Projekt, aber auch immer wieder aktuelle Publikationen zu dem Thema veröffentlicht. Mittlerweile haben wir doch schon einiges publiziert, auch schon aus den alten Projekten. Auf ResearchGate, finde ich, ist es eine super Sammlung von den Artikeln, die veröffentlicht wurden und auch noch werden. Die Inhalte sind dort mit meinem Namen Sabine Klinger, aber auch mit Andreas, Andrea Mayr, verlinkt.
Christian
Sehr schön. Dann habe ich meine klassische Abschlussfrage, die manchmal ein bisschen schwierig ist und manchmal nicht. Bei euch beiden, glaube ich, wird es nicht so schwer sein. Was wollt ihr unseren Zuhörern und Zuhörerinnen als Kernaussage, vielleicht auch als Appell zum Selbermachen mitgeben? Stellt euch vor, ich habe hier zugehört. Ich habe den Podcast nebenherlaufen lassen. Podcast ist so ein Medium, das man nebenherlaufen lassen kann. Ich zum Beispiel höre sie gerne im Auto oder während ich den Haushalt mache und manchmal bin ich erst am Ende wieder komplett mit der Aufmerksamkeit anwesend. (Ich gebe es zu, das kommt vor.)
Welche Botschaft wollt ihr den Zuhörenden mitgeben?
Wenn ich jetzt wirklich diese letzten paar Minuten bewusst aufnehme und die hängen bleiben, was wäre die Botschaft oder der Handlungsaufruf, den ihr mitgeben wollt, den die Leute aus diesem Gespräch mitnehmen sollten?
Sabine
Wenn es die Fachkräfte adressiert, also die Personen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind, dann ist es sicher der Appell, aktiv mitzugestalten. Es zu versuchen, auch wenn es schwierig ist. Und auch wenn es mal einen langen Atem braucht, immer wieder dieses aktive Mitgestalten von den Rahmenbedingungen. Andrea hat es vorhin schon einmal angesprochen: dieser überorganisationale Austausch, der wahnsinnig wichtig ist, dieses Dranbleiben und natürlich auch dieses selbstbestimmte Eintreten für die Kompetenzen, die man hat und braucht für diesen Bereich. Denn der ist wahnsinnig vielschichtig, wahnsinnig komplex. Hier braucht es ein Riesenpotpourri, einen großen Blumenstrauß an Fähigkeiten, um das gut für sich und selbstbewusst nach außen zu tragen. Das ist allgemein etwas ganz Wichtiges.
Und jetzt mit dem Schwerpunkt Digitalisierung ist es die Botschaft: die Digitalisierung ist in der Sozialen Arbeit angekommen. Die ist ein inhärenter Teil. Es ist nicht mehr nebenbei, sondern es ist mittendrin. Zu beachten und auch im Kopf zu behalten, dass es nicht per se ein Bereich ist, in dem Technik abgelehnt wird. Sondern dass hier ganz viele technikaffine Menschen ihre Arbeit leisten und auch viel mitgestalten und mitentwickeln können und sollen. Und mit Freude dranbleiben.
Christian
Wunderbar. Dankeschön. Andrea?
Andrea
Mein Plädoyer geht mehr in die Richtung Austausch und Vernetzung. Wo es nicht nur darum geht, zu schauen: Was mache ich? Was machst du? Sondern wo es auch darum geht, sich über Ängste und Befürchtungen auszutauschen. Über das, was nicht da ist. Bei dem man das Gefühl hat: „Ich genüge dem nicht. Ich habe keine Vorstellung, wie das funktionieren soll. Ich habe keine Ahnung, wie ich zu dem kommen soll, was ich leisten soll.“ Es braucht ganz großen Mut, über diese Themen zu sprechen und diese Fragen zu formulieren. Man sollte es nicht mit dem inneren Widerstand, mit sich selber auszutragen oder für sich selber irgendwie versuchen, es zu lösen. Sondern man sollte diese Themen ganz stark nach außen tragen, ins Team tragen, auch mit der Leitung diskutieren. Hier sollte man einfach klar und transparent sein. Ich glaube, dass sich über diesen Austausch, wenn man darüber spricht, ganz vieles ergeben kann. Dass sich herauskristallisieren kann, wo konkrete Ansatzpunkte und wo konkrete Bedürfnisse sind.
Noch ein Appell auf einer organisationalen Ebene, das wir noch gar nicht angesprochen haben: Digitales Arbeiten setzt auch entsprechende Ausstattung voraus. Dass die Fachkräfte jener Teil sind, die in der Umsetzung sind, die vielleicht Unterstützung brauchen, die Möglichkeiten brauchen, die Räume brauchen, die Zeit brauchen. Aber die auch eine adäquate Ausstattung brauchen. Das Ressourcenthema hatten wir schon zu Beginn gehabt. Es ist notwendig, dass ich Ausstattung habe, die mich auch darin unterstützt, das umzusetzen, was ich gerne umsetzen will. Oder die mir dabei hilft, Sachen zu erlernen, Kompetenzen zu erwerben und die mich nicht daran hindert. Und die meine Zeit nicht auffrisst, weil der Rechner nicht hochfährt oder ich mich ärgern muss, noch bevor ich überhaupt einsteigen kann.
Christian
Im Grunde bewahrheitet sich dieser alte Spruch: „Technik ist erst dann hilfreich, wenn ich mich nicht mit ihr beschäftigen muss, weil sie funktioniert.“ Und nicht wenn ich Kaffee machen gehe, weil der Rechner lange braucht, bis er hochgefahren ist. Das ist ja auch nicht hilfreich.
Ihr beiden, das ist ein super spannendes Projekt. Wir haben es jetzt wirklich nur angekratzt. Ich weiß es, denn ich habe mich im Vorfeld mit den Inhalten beschäftigt. Deswegen hatte ich auch nach Highlights gefragt. Mir ist wichtig, das ist auch ein Appell an euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dass ihr euch wirklich noch einmal mit dem Material beschäftigt und es euch anschaut. Gerade das Poster ist ein echt schöner Überblick.
Da wir uns sehr stark auf die Fachkräfte konzentriert haben – ich weiß, dass uns einige Führungskräfte aus dem sozialen Bereich primär aus Deutschland hören –, die Bitte an euch: Es klang mehrfach durch, dass die Fachkräfte können, wenn man sie lässt und ihnen einen Raum gibt. Und sie empowert, wie der Sozialpädagoge in mir sagt. Ihnen also die Möglichkeit gibt, das auch zu tun. Dass man ihnen das Handwerkszeug gibt, ihnen Raum und die Voraussetzungen überhaupt aktiv zu werden gibt. Meine Bitte an die Führungsebene ist: Macht es möglich und lasst eure Leute sich vor allem auch übergreifend austauschen. Das ist auch oft nicht ein Nichtwollen, sondern ein Nichtdürfen. Der Konkurrenzgedanke zwischen Trägern ist auch im Sozialen nicht komplett ungewöhnlich, um es nett zu formulieren. Es wäre also schön, wenn wir kooperativer denken statt konkurrenzorientierter.
Alle Links zu dem, was ihr gehört habt, findet ihr natürlich im Blog, aber auch in den Shownotes (und am Anfang dieses Artikels). Dort auf jeden Fall die wichtigsten, im Blog gibt es noch ein paar mehr dazu.
Sabine und Andrea, ihr habt euch Zeit genommen. Wir haben über eine halbe Stunde, wenn ich es gerade richtig sehe, gesprochen. Ich sage ganz herzlichen Dank dafür. Ich bin mir sicher – bitte widersprecht mir, wenn ich falsch liege –, ihr freut euch, wenn Leute Kontakt mit euch auf LinkedIn und Co. aufnehmen. Wenn sie Fragen stellen, ins Gespräch gehen. Und da ist es der Berufsoptimist in mir, ihr freut euch sicherlich auch, wenn Geldgeber und Sponsoren meinen, das nächste Folgeprojekt ist kein Fehler. Ich bin mir sicher, da habt ihr nichts dagegen einzuwenden. Von daher auch der Appell: Wenn ihr jemanden kennt, der jemanden kennt oder so in der Hörerschaft, die Kontaktdaten habt ihr. Meldet euch bitte bei den beiden.
Sabine, Andrea, ich sage ganz, ganz herzlichen Dank. Ich fand das super spannend und ich hoffe, wir konnten Lust machen, sich mit dem Projekt zu beschäftigen. Danke euch beiden für eure Zeit.
Andrea
Vielen Dank.
Sabine
Vielen Dank für die Einladung und das tolle Gespräch mit dir. Danke.
Christian
Ich danke euch. Macht’s gut. Und, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, wie immer: Danke euch für eure Zeit und Aufmerksamkeit. Ohne euch wäre das Ganze zwar spannend gewesen, aber hätte weniger Wirkung. Deswegen danke fürs Zuhören, fürs Teilen, fürs Kommentieren.
Bis zur nächsten Folge. Tschau zusammen.
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