Das wichtigste zuerst: Der Titel ist kein Clickbait, versprochen! Wenn Du die Metapher nicht zu wörtlich nimmst (für Dein Kopfkino kann ich nichts) und mir einige Minuten Deiner Zeit schenkst, macht er Sinn. Denn Wohlfahrt und Social Entrepreneurship sind mehr als Freunde. Ob sie das (schon) wissen, steht auf einem anderen Blatt.
Ah, Du hast den Artikel trotz (oder wegen?) des Titels angeklickt. Danke dafür.
Anlass für diese Zeilen ist der aktuelle Ideequadrat-Podcast mit Markus Sauerhammer (SEND e.V.) und Joss Steinke (DRK Wohlfahrt). Da ich die vorausgegangene Twitter-Diskussion kenne – hier nachzulesen – habe ich ihn mit großem Interesse gehört. Den Podcast findest Du weiter unten eingebettet. Wenn Du ihn noch nicht gehört hast: Nimm Dir die Zeit. Natürlich wäre es toll, wenn Du den Artikel danach zu Ende liest. ?
Vorweg noch ein Transparenzhinweis: Ich bin sowohl Mitglied im SEND e.V. als auch Mitarbeiter der Wohlfahrt, konkret des Caritasverbands für das Bistum Essen. Beim Thema Wohlfahrt und Social Entrepreneurship schlagen also zwei Herzen in meiner Brust. Diese Ambivalenz, und meine Basis als Sozialpädagoge, sind die Perspektive, mit der ich den Podcast höre und verstehe.
Friends with Benefits: Was die Beziehung von Wohlfahrt und Social Entrepreneurship so besonders macht
Unabhängig vom Podcast – zu dem komme ich gleich – knistert es in der Beziehung zwischen Wohlfahrt und Social Entrepreneurship seit ich die beiden Bereiche bewusst wahrnehme.
Die einen – Wohlfahrt – stehen in langer Tradition, haben feste Strukturen, (selbstgewählte) Aufträge und viele Menschen, die sich Tag für Tag für andere Menschen einsetzen.
Die anderen – Social Entrepreneurship – ringen teilweise noch um klare Definitionen, Strukturen wachsen und die Zahl der beteiligten Menschen schwankt. Doch auch sie setzen sich Tag für Tag für andere Menschen ein – wenn auch vielleicht auf andere Weise als die Menschen in der Wohlfahrt.
Beide wollen im Grunde das gleiche, gesellschaftliche, soziale und menschliche Probleme lösen. Welche Probleme und mit welchen Methoden, da unterscheiden sie sich.
In der Wirtschaft würden viele bei solchen Unterschieden mit ähnlicher Basis von Synergieeffekten und Kooperationschancen sprechen. Ich tue das auch für Wohlfahrt und Social Entrepreneurship, denn die gehören zusammen, wenn wir unsere Gesellschaft wirklich verändern wollen.
Sie sind, oder könnten es sein, Friends with Benefits.
Wohlfahrt und Social Entrepreneurship: Friends with Benefits der anderen Art
Wie komme ich also zur der etwas ungewöhnlichen Metapher? Mit den folgenden Gedankengängen, die auch aber nicht nur, durch den Podcast angestoßen wurden:
- Freunde, also echte Freunde, kritisieren sich gegenseitig. Nicht um dem oder der anderen zu schaden, sondern um sich gegenseitig zu helfen, besser zu werden, Fehler zu erkennen und sich zu verbessern. Das klingt im Podcast auch durch.
- Freunde sprechen diese Kritik manchmal etwas sehr emotional aus, schießen übers Ziel hinaus, nehmen sich dann aber zurück und raufen sich zusammen. Die Gemeinsamkeiten sind größer als die Unterschiede. Auch das höre ich sehr deutlich im Podcast.
- Freunde haben unterschiedliche Interessen, Werte und Gedanken, finden jedoch immer wieder die verbindenden Elemente, die sie zusammen bringen und erinnern sich daran, was sie eint. Die Mission, gesellschaftliche und soziale Probleme zu lösen, sollte meiner Meinung nach für Wohlfahrt und Social Entrepreneurship dafür mehr als ausreichen.
- Freunde machen Fehler, verletzen und enttäuschen sich gegenseitig, verstehen sich falsch. Doch sie reden danach wieder miteinander, klären die Differenzen und gehen zusammen, oft gestärkt, weiter. Das erleben wir gerade live anhand der Diskussion zu Sozialer Innovation im Bundestag mit. Zumindest den ersten Teil. Ich hoffe, dass wir auch Teil zwei – gestärkt zusammen weiter gehen – bald erleben.
Doch was ist mit den Benefits, dem gewissen Etwas? Dazu bitte ich Dich, eine etwas schwierige Aufgabe mitzumachen: Lies die folgenden Zeilen und lass gleichzeitig das Bild, das ich skizziere, vor Deinem inneren Auge entstehen. Wenn Du Dir den Text vorlesen lassen kannst, schließe Deine Augen. Ist vermutlich einfacher.
Bereit? Dann geht‘s los.
(M)eine Utopie einer gemeinsam Wirkung
Stell Dir vor, Wohlfahrt und Social Entrepreneurship gehen einen Schritt weiter, als nur Freunde zu sein. Stell Dir vor, sie wollen mehr. Stell Dir vor, sie erkennen und verstehen, was der oder die jeweils andere kann und was nicht, wo jeweils Stärken und Schwächen liegen. Auf einmal werden sie sich attraktiver, es knistert.
Und dann tun sie es. Sie gestalten gemeinsam Projekte, sowohl vor Ort als auch auf Länder- und Bundesebene. Sie entdecken sich ganz neu, finden Gemeinsamkeiten und Vorlieben, die sie gar nicht kannten. Sie schließen sich bei der sozialpolitischen Kommunikation und Lobbyarbeit in einigen Bereichen zusammen, stimmen sich ab, nutzen die Stärke des oder der jeweils anderen und wirken gemeinsam.
Stell Dir vor wie aufregend, spannend, emotional und wirksam das wäre! Welche Veränderung, welche kommunikative Strahlkraft und vor allem welche realen, nachhaltigen Veränderungen – soll ich es wagen, Impact zu sagen? – sie gemeinsam wirken.
Und jetzt komme wieder langsam zurück ins Hier und Jetzt. Was Du gerade vor Deinem geistigen Auge gesehen hast, was Dich vielleicht genau so begeistert hat, wie mich, ist noch Utopie.
Doch es ist eine Zukunft, und das begeistert mich, die wir gemeinsam möglich machen können.
Wie? In dem wir in Wohlfahrt und Social Entrepreneurship jeden Tag Schritte aufeinander zu gehen. In dem wir nachfragen, wenn wir nicht nachvollziehen oder verstehen können, was und warum der oder die andere da gerade tut.
In dem Menschen, die neue Wege ausprobieren und auch in der Wohlfahrt unternehmerischer arbeiten wollen – liebe Intrapreneur*innen, I feel you – dran bleiben und sich vielleicht bei Social Entrepreneuri*nnen immer wieder Motivation und Rückhalt suchen.
In dem Social Entrepreneur*innen zuhören, die Erfahrung und Arbeit der Wohlfahrt anerkennen und von ihr lernen, sie nicht einfach abtun.
In dem die Wohlfahrt neuem die Tür öffnet, in Kooperation geht und auch scheinbar naiven Ideen eine Chance gibt.
All das passiert bereits. All das ist nicht einfach. All das braucht Geduld, Ausdauer und Energie. Doch das Schöne ist: Freunde bringen das füreinander auf. Die Benefits nehmen wir dann doch alle gerne mit, oder?
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