Dieser Beitrag entsteht am 01.02.2025, einen Tag nach einer denkwürdigen Sitzungswoche im Bundestag, die, so hoffe ich, nicht so schnell vergessen wird.
Sollten euch die Ereignisse nichts sagen: Fragt die Suchmaschine eurer Wahl mal nach „Bundestagsabstimmung am 29.01.2025“ und/oder „Gesetzesantrag am 31.01.2025“.
Die Ereignisse der letzten Tage sind für mich der Grund, dieses Thema jetzt anzugehen. Meine Motivation für das Thema liegt jedoch tiefer: Ich hoffe, dass meine Erfahrungen anderen dabei helfen können, ihre psychische Gesundheit, ihre Motivation, Idealismus und (Berufs)Optimismus zu erhalten.
An wen richtet sich der Artikel?
Ich schreibe diesen Artikel für alle, die sich gesellschaftlich – hauptberuflich oder ehrenamtlich – engagieren und politisch interessiert sein müssen oder wollen.
Alle Menschen, auf die diese Beschreibung zutrifft und die ich kennen darf, haben eines gemeinsam: Die politische Entwicklung der letzten Jahre – die letzten Wochen waren da nur ein trauriger Höhepunkt einer langen Entwicklung – frustriert sie auf die eine oder andere Weise.
Die Gründe dafür sind, abhängig von der politischen Überzeugung, teilweise Parteizugehörigkeit und den individuell wichtigen Themen, unterschiedlich. Doch alle sind sich einig: Der politische Umgang miteinander, die politische Kommunikation und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen sind mehr als anstrengend.
Da ich mich selbst zu diesen Menschen zähle, musste ich für mich Strategien entwickeln – und von anderen adaptieren – um einerseits mein politisches Interesse, sowohl beruflich als auch privat, aufrechtzuerhalten.
Andererseits musste und muss ich jedoch auch meine psychische Gesundheit, meine Motivation und meinen Berufsoptimismus schützen.
Würde ich die politische und gesellschaftliche Entwicklung – genauer gesagt, deren mediale Darstellung – ungefiltert an mich heranlassen, wäre ich ein reiner Zyniker und würde sicherlich nicht mehr im sozialen Bereich arbeiten.
Meine Leitprinzipien einer menschenfreundlichen Informationsstrategie
Die in diesem Artikel gesammelten Tipps sind ausschließlich Strategien und Methoden, die für mich funktionieren. Wenn ich diese und die folgenden Zeilen also konsequent aus der Ich-Perspektive schreibe, liegt das nicht an einem egozentrischen Weltbild.
Der Grund ist simpler:
Ich will bei diesem Thema auch nur den Anschein von Vorschriften und Ratschlägen vermeiden.
Werden diese oder einige Strategien für euch funktionieren? Ich hoffe es, habe aber keine Ahnung, welche, ob und wie sie euch weiterhelfen. Alles, was ich hier tue ist, mit euch zu teilen, was für mich funktioniert und damit vielleicht Inspiration und Anregungen zu liefern.
Drei Leitprinzipien sind die Grundlage aller Strategien und Methoden:
- Andere Meinungen, konstruktiver Diskurs und Austausch sind wichtig. Nur in der eigenen Bubble zu leben, ist für mich gefährlich und nicht sinnvoll.
- Hass ist keine Meinung. Wer anderen Menschen das Recht auf Leben und Menschenwürde abspricht, ist keine Gesprächspartnerin oder Gesprächspartner für mich.
- Eine fruchtbare und hilfreiche Diskussion erweiterte meinen Horizont und meine Perspektiven. Es geht nicht darum, Menschen von etwas zu überzeugen, sondern darum, ihren Standpunkt und ihre Denkweise zu verstehen.
Wie bei allen Strategien und Methoden gilt auch für diese Prinzipien: Ich lebe sie so gut ich kann. Dennoch ignoriere ich sie manchmal, reagiere emotional und halte mich längst nicht immer an alles, was ich hier schreibe.
Das sage ich nicht als präemptive Verteidigung, um berechtigte Kritik ignorieren zu können. Es ist viel mehr als eine Einordnung für euch und Erinnerung für mich gedacht, dass ich jeden Tag daran arbeite, besser zu werden.
Neben meinem beruflichen Motto – „Digital braucht sozial“ – habe ich ein privates, das für mich diese Prinzipien handlungsleitend zusammenfasst:
Mache die Welt für die Menschen um dich herum jeden Tag besser.
16 Strategien für menschenfreundlichen Informationskonsum
- Klare Kanalfunktion und -nutzen -Ich kläre für mich, wofür ich einen Kommunikations- und Informationskanal nutze. Will ich auf der Plattform diskutieren und Gespräche führen? Oder geht es mir primär um Informationen und vielleicht Nachrichten? Was immer es ist, danach richtet sich meine Nutzung der jeweiligen Plattform.
- Klare Rollendefinition – Ich habe für mich klar definiert, wie ich meine Rolle sehe, wenn ich privat oder freiberuflich online unterwegs bin. Das bedeutet auch, dass ich für mich selbst weiß, was ich als meine Pflicht ansehe und was nicht.
- Klare Regeln fürs Blockieren – Ja, ich blockiere Menschen auf meinen Kanälen. Das tue ich primär, wenn sie eines oder mehrere der drei Leitprinzipien verletzen. Es gibt jedoch einen weiteren Aspekt: Wenn ich merke, dass der digitale Austausch meiner psychischen Gesundheit schadet, beispielsweise weil Menschen nur negative und destruktive Inhalte teilen, blockiere ich ebenfalls.
- Informationen asynchron konsumieren – Diese Strategie setze ich noch zu selten um, ich werde jedoch besser. Ich habe zwei Gründe dafür:
- 1. Wirklich relevante Informationen bekomme ich auch im Nachgang mit. Oft genug sind wirklich klare und gesicherte Informationen ohnehin nicht live zu bekommen.
- 2. Das mag rein subjektiv sein, doch ich lasse mich emotional viel leichter aktivieren – also aufregen – wenn ich Entwicklungen live verfolge. Ich kann das nicht mit Studien begründen, doch ich vermute, dass ich bei Live-Content das Gefühl habe, etwas tun und eingreifen zu müssen. Bei aufgezeichneten Inhalten weiß ich, dass ich nichts ändern kann – und bleibe ruhiger.
- Algorithmen meiden – Das gilt vor allem für Nachrichten- und Informationskonsum. Die meisten für mich relevanten Informationen beziehe ich via RSS und E-Mail-Newsletter und bewusst nicht über Social-Media-Netzwerke. Gelingt mir auch nicht immer, arbeite ich aber aktiv daran. Der Grund ist simpel: Ich will entscheiden, welche Quellen ich wann lese und das nicht Algorithmen überlassen.
- Zeit mit den mir wichtigen Menschen und Lebewesen – Es klingt banal, aber Zeit mit meiner Frau, unseren Katern und anderen mir wichtigen Menschen ist das beste Gegengewicht zu Nachrichten und Informationen, die mich belasten oder aufregen. Solche Nachrichten komplett zu meiden, ist für mich weder beruflich noch privat erstrebenswert. Doch Zeit mit den mir wichtigen Menschen und Lebewesen erinnert mich daran, worauf es wirklich ankommt – und in welchem Bereich ich einen positiven Unterschied machen kann.
- Handschriftlich und analog schreiben – Kreativmethoden wie die Morgenseiten, Tagebuch, Organisation à la Bullet Journal und andere analoge Ansätze sind für mich inzwischen essenziell. Vielleicht liegt das am fortschreitenden Alter, vielleicht an den Veränderungen, die generative KI bei mir auslöst. Was immer der Grund ist: Analoges und handschriftliches Schreiben erdet und beruhigt mich. Es ist eines meiner Ventile für zu viel Information und innere Unruhe.
- Regelmäßige körperliche Bewegung und genug Schlaf – Dieser Punkt ist selbsterklärend, denke ich. Ohne ausreichenden Schlaf funktioniert nichts in meinem Hirn oder Körper wirklich gut und ich bin schnell von zu vielen Informationen überfordert. Ohne regelmäßige Bewegung und die eine oder andere kalte Dusche kann ich meinen Stresslevel nicht regulieren. Beide sind also unverzichtbar.
- Entscheiden, wessen Meinung zählt – Es klingt vielleicht hart oder arrogant, aber es gibt wenige Menschen, deren Meinung mir wirklich wichtig ist. Nicht in Fachfragen oder bei beruflichen Themen, sondern wenn es um die Einschätzung von Situationen, Argumenten, Meinungen, Positionen und eine Bewertung meines eigenen Verhaltens geht. Kommt Kritik von Menschen außerhalb dieser Gruppe, schaue ich mir die an und bespreche sie mit einem oder mehreren der für mich wichtigen Menschen.
- Antworte – nach einer Pause – Diese Regel habe ich in der Vergangenheit zu oft ignoriert und auch heute tue ich mir schwer damit. Vor allem, wenn ich impulsiv antworten oder reagieren will, ist eine Denkpause und ein wenig zeitlicher und emotionaler Abstand jedoch wichtig. Das kann bedeuten, dass ich einen Beitrag speichere und die Antwort auf meine To-do-Liste packe. Oder dass ich die Antwort erst handschriftlich vorformuliere und dann übertrage. Wichtig ist das Durchatmen vor der Antwort.
- Zuhören, um zu verstehen, nicht um zu antworten – Diese Strategie ist meine größte Herausforderung. Ich antworte gerne zu schnell, unterbreche Menschen und bekomme deshalb nicht immer den vollen Kontext und ihre Meinung mit. Ich arbeite daran. Denn es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen. Das verhindert auch zu impulsive Reaktionen und falsche Annahmen.
- Bewusster Wechsel zwischen verschiedenen Modi – Ich habe mehrere Modi für meine Arbeit und meinen Informationskonsum. Fokusarbeit im Stile von Deep Work, intensive und konzentrierte Informationsarbeit, Kommunikation und Austausch, Informationsaufnahme und Vorfilterung. In den letzten Monaten versuche ich, bewusst in einen der Modi zu wechseln und mich auf die damit verbundenen Aufgaben zu konzentrieren. Das macht es mir leichter, alles Unwichtige auszublenden.
- Fokus auf Longform-Inhalte – Diese Strategie geht Hand in Hand mit dem asynchronen Informationskonsum und dem Vermeiden von Algorithmen. Blogs, Magazine, Zeitungen, Podcast, Bücher, längere Videos – all das sind Medien, die mir in der Regel einen besseren Eindruck und eine höhere Informationsdichte liefern, als Kurzbeiträge oder -videos. In diese Kategorie fallen für mich auch einige Newsletter, unter anderem das Social Media Briefing, der Content-Kurier und der IdeeQuadrat Newsletter.
- Kanäle über Tools nutzen – Wenn ich aus beruflichen Gründen oder privatem Interesse doch Social-Media-Plattformen nutze, versuche ich das, wo möglich, über Social-Media-Management-Tools zu tun. Mein Tool der Wahl ist dabei swat.io, andere Lösungen funktionieren jedoch auch. Wichtig ist nur, dass ich die Inhalte und den Kanal entkoppeln und die Kommunikation bis zu einem gewissen Grad von der Plattform abstrahieren kann.
- Auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten fokussieren – Vor allem, wenn ich politische oder globale Entwicklungen verfolge, kann sich bei mir ein Gefühl der Ohnmacht einstellen. Was kann ich als Einzelner schon tun? Die Antwort ist immer: Eine ganze Menge – in meiner Einflusssphäre. Genau das mache ich mir immer und immer wieder, oft handschriftlich, bewusst. Ich fokussiere darauf, was ich tun kann und welche Möglichkeiten ich habe. Und dann tue ich einen konkreten Schritt, um mich daran zu erinnern: Du bist nie wirklich machtlos.
- Bewusst positive Informationen aufnehmen – Manchmal ist das eine echte Herausforderung. Angebote wie goodnews.eu oder das Good Magazin sind zwei der Quellen, die ich dafür nutzen. Tipps für weitere Quellen positiver Nachrichten sind herzlich willkommen.
Mir ist klar, dass dieser Artikel für mein Blog hier untypisch ist. Er ist mir aktuell jedoch sehr wichtig.
Daher freue ich mich auf euer Feedback:
Wie schützt ihr eure psychische Gesundheit und bleibt politisch interessiert?
Wären Strategien für Führungskräfte und Menschen, die beruflich und der Öffentlichkeit stehen, für euch auch interessant?
Ich freue mich auf eure Kommentare.
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